Buenos días Argentina!

„Der Himmel ist blau und der Rest Deines Lebens liegt vor Dir“   (https://www.youtube.com/watch?v=tZwTeyw8c8g)

… schallt es aus der Musikbox in meiner Wohnung. Beides Dinge, die sehr gut auf mein derzeitiges Leben zutreffen. Lediglich 8 Wochen bin ich in Buenos Aires und schon hat sich in gewissen Dingen Alltag eingestellt, was ich nicht als schlechtes Zeichen deute, sondern als Zeichen des Angekommenseins.

 

Aber zurück zum Anfang. Vor eineinhalb Monaten stand ich mit Tränen in den Augen am Flughafen, um in das wohl größte Abenteuer meines bisherigen Lebens aufzubrechen. Vor meiner Abreise durchlebte ich kleinere Krisen, die sich hauptsächlich um die Frage drehten, wieso ich mich aus meinem geschützten und wunderbaren Umfeld begebe und für mindestens 2 Jahre in ein Land ziehe, dessen Sprache ich nicht mal spreche. (Es hätte ja vielleicht auch schon gereicht in ein anderen Bundesland zu ziehen – größere Entfernung zur Heimat + Sprache, die ich nicht beherrsche :D- und es wäre sicher auch schön geworden.) Damit das Gefühlschaos perfekt wurde, hatte ich zum Abschluss auch noch eine wunderschöne Abschiedsparty. Ein riesengroßes Dankeschön an alle, die dabei sein konnten und vielen Dank für die umwerfende Hilfe bei der Vorbereitung und die vielen persönlichen Geschenke! Ihr seid toll! Doch trotz dieser Gefühlsachterbahn vor der Abreise habe ich meine Entscheidung noch keinen einzigen Tag bereut.  Ich wurde bisher von allen Seiten sehr herzlich aufgenommen – sei es von Kollegen oder auch vom Obsthändler um die Ecke.  🙂

Passschwierigkeiten und Einreise

Nicky Holstein (Name aus Datenschutzgründen verschleiert) – mein Ansprechpartner im Bundesverwaltungsamt – was hast Du mich Nerven und graue Haare gekostet!!! Obwohl ich meine Unterlagen für den notwendigen Dienstpass bereits im August vollständig abgegeben hatte, gab’s wohl irgendwo einen sehr großen Natzer. Anscheinend mahlen auch die deutschen bürokratischen Mühlen sehr langsam. Auf Nachfrage im Dezember, wo denn mein Dienstpass abgeblieben sei – ohne den ich offiziell nicht ausreisen hätte dürfen – kam nur die Antwort „Ich habe keine Ahnung, wo er sich befindet“. Solche Aussagen sorgen für Sicherheit! Sicherheit, dass man schreiend im Kreis laufen könnte! Nach erneutem Telefonanruf im Januar (meine Abreise war am 13. Januar) war mein Pass in der argentinischen Botschaft gefunden worden, „aber die sind gerade noch in den Weihnachtsferien“… Unmut kommt auf… Letztendlich kam der Pass am 11. Januar per Expresssendung zu mir geliefert und Plan B bis Z konnten über Bord geworfen werden!

Anflug auf das nicht enden wollende Buenos Aires. Erste Kontakte mit der spanischen Sprache. Erkenntnis: oh mei – des wird wos wern!

 

 

Lustigeres ereignete sich dann bei der Einreise in Buenos Aires. Beim Vorbereitungsseminar in Bonn sagte ein Dozent, dass er erst im Ausland gemerkt hat, welche deutschen Stereotypen eigentlich in ihm stecken. Und so wandert mein Blick über die lange Menschenschlange bei der Einreise. Nationale Unterschiede und Stereotype fallen sofort ins Auge. (Achtung: es folgen Pauschalisierungen!) Woran erkennt man Deutsche am Flughafen ohne sie sprechen zu hören?! AM OUTDOOROUTFIT! Während Spanier, Italiener und Franzosen oft schick angezogen ihr Köfferchen durch die Gänge ziehen und Asiaten mit Lieben Zuhause telefonieren, ist der Deutsche auffallend pragmatisch: Wanderoutfit von Jack Wolfskin und ein Rucksack von Deuter auf dem Rücken. Häufig auch an der Bauchtasche, die man noch unter der Hose versteckt und aus der man jedes Mal umständlich seine Unterlagen herausfummeln muss, zu erkennen! Bei Männern sieht man auch die Variante, die neben einem Gurt an der Hüfte zusätzlich durch einen Gurt um den Oberschenkel gesichert ist. Da kommen Fragen auf: haben wir wirklich so viel Angst davor bestohlen zu werden? Wollen wir es im Flugzeug einfach gemütlich haben? Wieso dann kein Jogginganzug? Und wieso wollen das die anderen Leute anscheinend nicht? Wer auf diese Fragen Antworten kennt, darf gerne einen Kommentar hinterlassen. Mit reinem Gewissen erlaube ich mir diese Beobachtungen über Deutsche zu schildern. Wieso? Auch ich habe den Bauchbeutel umgeschnallt und passe darauf mit Argusaugen auf! 🙂 Wieso gerade mein Bauchbeutel tatsächlich sehr wertvoll ist, erfahrt ihr gleich.

Cambio! Cambio! Cambio!  – Geld tauschen in Bs As

Da stand ich nun – ein paar Tage nach meiner Ankunft – noch sehr auf Sicherheit und überall lauernde Gefahren bedacht, mit meinem Rucksack vorne umgeschnallt und 50 Euro verkrampft in der Hand haltend in der „Geldtauschstraße“. Was bei uns wohl sehr dubios wäre, gilt laut argentinischem Stadtführer hier als ganz normal: man tauscht Geld auf der Straße. Nicht in der offiziellen Wechselstube (normaler Wechselkurs 1€ = 64-66 Peso, auf der Straße 1€ = 85-88 Peso). Aufgrund der schwierigen finanziellen Lage, die in Argentinien bereits mehrere Jahre andauert, hat sich ein Schwarzmarkt zum Geldtauschen entwickelt, der sich vor allem auf die Avenida Florida, eine Fußgängerzone, beschränkt. Geld abheben mit der europäischen Kreditkarte ist keine Option, da die Banken hier 10% Gebühren verlangen. Deshalb wurde mir schon im Vorfeld von Kolleginnen gesagt, möglichst viel Bargeld mitzubringen und es hier zu tauschen (deshalb auch die sagenumwobene Bauchtasche!). Der Stadtführer beschreibt für die Ausländer in seiner Stadtführung den Prozess:

– kundschafte einen arbolito aus (arbolito = Bäumchen; aufgrund der grünen Farbe der Dollarscheine)

– vereinbare den Kurs (+/- 1 Peso abweichend vom Dollar/Euro blue Kurs)

– gehe mit ihm/ihr in eine kleine Kammer, in der grimmig dreinschauende Männer hinter großen Bildschirmen und mit Geldzählmaschinen sitzen

– zähle das Geld nach und überprüfe, ob es sich um Falschgeld handelt

– verabschiede dich mit einem Küsschen auf die Backe vom arbollito und das Geschäft ist abgeschlossen.

Der erste Tausch war total nervenaufreibend, aber wenn man es einmal gemacht hat und von allen Seiten hört, dass es das Normalste auf der Welt ist, muss ich heute drüber schmunzeln, wenn ich mich an diesen ersten Tausch zurückerinnere. Mittlerweise habe ich eine persönliche arbolita meines Vertrauens gefunden. 😉

Typisch argentinisch: Mate, asado und besito

Mate oder „Wer hat aus meinem Becherchen getrunken?“

Der Mate gehört zu Argentinien, wie Rindersteaks und Fußball. Es handelt sich dabei nicht nur um ein etwas bitter schmeckendes Aufgussgetränk, sondern eher um soziale Interaktion. Man sieht ihn auf der Straße, in der U-Bahn oder auch in der Lehrerkonferenz. Dabei wird in einen Becher (z.B. eine Kalebasse oder einen Holzbecher s.Bild) Yerba gefüllt. Am ehesten könnte man es vielleicht mit grünem Tee vergleichen. Danach steckt man einen speziellen Trinkhalm (bombilla) in den Mate, gießt zuerst etwas Wasser auf Zimmertemperatur auf und dann Wasser um die 80°C. Aus diesem Becher und diesem Trinkhalm kann nun jeder Anwesende nach einem bestimmten Ritus trinken. Man trinkt den Becher komplett aus, gibt ihn an den Besitzer zurück, der ihn wieder auffüllt und an eine andere Person weitergibt. Erst wenn man nicht mehr davon trinken will, sagt man Danke. Es kann also gut und gerne sein, dass 10 Menschen vom gleichen Strohhalm trinken. Normalerweise isst man zu Mate süße Gebäckstückchen (facturas), vermutlich um die bittere Note etwas auszugleichen. Da ich noch neu im Matebusiness bin, kann ich bisher nur die leichte Variante mit gesüßtem Wasser trinken – was meine argentinischen Kollegen manchmal sehr schmunzeln lässt.

   Süßigkeiten gehören zu Mate. Diesem ungeschriebenen Gesetz unterwerfe ich mich gerne!

Asado – Grillen ist auch in Argentinien Männersache

Nach einer Lehrerkonferenz in der Sekundarstufe wurde ich von einem Kollegen und seiner Frau mit etwa 10 weiteren Kollegen zum asado eingeladen. Dabei handelt es sich um ein gemütliches get together zum Essen.  Der Prozess des Vorbereitens und Essens kann sich dann über mehrere Stunden hinziehen. Es wird viel gesprochen, gelacht, gespielt, getrunken und gegessen. Für mich war das eine wunderbare Gelegenheit mit meinen argentinischen Kollegen ins Gespräch zu kommen, ohne dass es sich um den Kontext Schule dreht. Für Fleischliebhaber ist asado wahrscheinlich wie eine Fahrt in der Geschmacksachterbahn. Grundsätzlich ist das Essen durch den italienischen Einfluss sehr lecker – Pizza, frische Pasta, Eis! Außerdem gibt es an jeder Ecke Obst- und Gemüsestände, die auch regionale Produkte anbieten.

 

Lehrerkonferenzen unter freiem Himmel sind deutlich angenehmer, selbst wenn mir danach immer der Schädel brummt, weil ein Sprachenchaos darin herrscht!

 

Besito – Küssen strengstens erwünscht!

In Argentinien begrüßt und verabschiedet man so ziemlich Jeden mit einem Küsschen auf die Wange. Das ist grundsätzlich nichts Neues für mich, da ich das schon aus Frankreich gewohnt bin. Doch auch meine Schüler und deren Eltern begrüße und verabschiede ich so. Körperliche Nähe und Distanz in der Schule sind sehr viel anders, als in Deutschland. Im Referendariat wurde mir noch eingebläut dahingehend besonders vorsichtig zu sein und hier sind ein Küsschen, eine Umarmung, ein bestätigendes Klopfen auf die Schulter gang und gäbe.

Vermutlich müssen diese beiden Gewohnheiten (Mate und Küsschen) deutlich umgestellt werden, sollte der Coronavirus auch nach Argentinien schwappen. Verwunderlich ist sowieso, dass das noch nicht flächendeckend der Fall ist, denn sehr viele Argentinier haben italienische Wurzeln und somit gibt es etliche Reisen von Italien nach Argentinien und umgekehrt.

 

Fazit der ersten Wochen: Vermutlich hätte ich mich auch anderswo auf der Welt wohlfühlen können, aber Argentinien und seine Bewohner machen es mir wirklich sehr leicht!

 

Besitos! :*

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