On the road again! Jakobsweg 5.0

Schon unglaubliche 7 Jahre ist es her, dass Eva und ich zusammen auf dem Jakobsweg unterwegs waren. Wir hatten unseren 4. Abschnitt in Espalion (Frankreich) beendet, aber keineswegs darüber nachgedacht, wie wir je wieder in dieses Örtchen mit etwas weniger als 5.000 Einwohnern kommen sollten. Doch wir hatten Glück und Sanne und Marcus hatten einen Frankreichurlaub geplant und haben uns einfach eingepackt!

Die grüne Strecke auf der Europakarte haben wir schon zurückgelegt. Die diesjährige Etappe (Frankreichkarte, auch grün) sollte 10 Tage dauern und uns ein Stückchen weiter Richtung Santiago de Compostella bringen.

Wir befinden uns immer noch in Okzitanien, eine Region Frankreichs, die zu 40% aus geschützten Naturbereichen besteht, weshalb man auch nicht oft auf große Städte stößt und falls man mal in einer bewohntere Stadt kommt, kriegt man sofort eine Großstadtwatschn und wünscht sich in die Natur zurück. Als wir vor 7 Jahren in Espalion ankamen, hatten wir ziemlich genau die Hälfte der km zwischen Pfreimd und Santiago de Compostella geschafft, circa 1.300. Um dieses Jahr jede unserer Etappen ein wenig musikalisch zu untermalen, könnt ihr euch für jeden Tag Musik reinziehen! Außerdem gibt es immer auch einen Link zu den Unterkünften, dann könnt ihr euch ein Bild unserer Behausungen machen!

Und ab geht die Post!

Espalion – Massip (25,5km, 6,5h , 28 Grad)

Here we go again on our own … wieder zusammen, 7 Jahre älter, körperlich den Zenit schon überschritten und doch mit viel Lust weiterzumarschieren!

Nachdem uns Sanne und Marcus also abgesetzt hatten, checkten wir in die Pilgerherberge und unser Dreierzimmer ein, hatten aber eine recht stinkende, platzeinnehmende und unfreundliche Zimmergenossin, die vorher laut ihren Angaben nur im Zelt schlief und jetzt wieder auf die Zivilisation traf, sich also nach mehr als 2 Wochen endlich mal wieder richtig waschen konnte. Da hingen Schlüpfer rum, sämtliches Waschzeug flog im Bad umher und als am nächsten Tag unser Wecker klingelte, stand sie auf und belagerte das Bad! Frechheit! Wir sollten sie an diesem Tag noch öfters treffen, doch sie strafte uns mit Nichtbeachtung, erzählte jedoch anderen Pilgern von uns, sodass unsere Namen schon in aller Munde waren. Der erste Tag ging dann erstaunlich schnell voran und so kamen wir schon am frühen Nachmittag am Etappenziel an.

Herberge: http://loreeduchemin.fr/acces.html

Massip – Conques (23,7km, 6h, 30 Grad)

We’re walking, yes indeed we’re walking! Auch der zweite Tag lief gut, doch wegen des späten Frühstücks kamen wir erst um 7:30 los. Und die goldene Regel ist: in der Früh macht man die Kilometer! Über viele kochende Teerstraßen ging der Weg nach Conques, einem idyllischen Städtchen, welches zu den schönsten Städten Frankreichs zählt: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Die_schönsten_Dörfer_Frankreichs

Wir kamen in der Abtei Ste- Foy unter und beim gemeinschaftlichen Abendessen wurde Eva entgegen ihres Willens auserkoren eine Fürbitte in der Messe zu lesen – herrlich! Ob da ein Neuanfang mit der katholischen Kirche bevorsteht? Man weiß es nicht! Gebenedeit gingen wir ins Bett und schlummerten herrlichst!

Herberge: https://abbaye-conques.org/hotellerie

Conques – Livinhac-le-Haut (24,2km, 7h, 30 Grad)

Bring Eva und Johanna up, bring Eva und Johanna down. Genau so ging es den ganzen Tag! Ein einziges bergiges Auf und Ab! Man sieht auch schon an der Zeit, dass wir aufgrund der Steigungen nicht flott unterwegs waren. Wieder recht zeitig gestartet liefen wir in glühender Hitze nach Livinghac-le-haut. Haut bedeutet auf Deutsch oben. Dieser Zusatz im Ortsnamen sorgt bei uns nie für strahlende Gesichter, denn dann wissen wir, dass es bis zum Etappenziel immer erst nochmal hoch hinaus geht!

Am Morgen waren wir in der Abtei noch von ein paar Kellerasseln und sogar einer Schnecke!!! umringt und flitzten deshalb schnell zum Frühstück und verabschiedeten uns von einigen Mitpilgern, die in Conques Schluss machten und auch von einem zuerst als sehr grumpy eingestuften Pariser, der sich am Ende als sehr feine Seele herausstellte. Der Jakobsweg zeigt oft, dass der erste Eindruck trügerisch sein kann. Auf dem Weg trafen wir Claire – eine Pilgerin mittleren Alters, die im Baumwollkleid unterwegs ist! Und obwohl Claire schon im dritten Jahr auf dem Jakobsweg läuft, hat sie noch nicht wirklich dazugelernt. Außerdem ging Claire nicht durch die Böhmsche Schule und hat somit nicht glernt Abstriche zu machen. (die mit rot durchgestrichenen Gegenstände wurden nach Evas Inspektion noch aus meinem Rucksack verbannt :)).

Hier mal eine Auflistung von Claires Fehlgriffen und unsere Verbesserungsvorschläge (die wir über die Jahre auch erst selbst lernen mussten):

  • 13-15 kg im Rucksack (10% des Körpergewichts sind optimal, bei uns sind‘s dieses Jahr mit 12% etwas mehr)
  • Handtasche und Jutebeutel (nichts in der Hand tragen!)
  • Baumwollkleider als Wander- und Abendoutfit (alles, was leicht ist und schnell trocknet vorziehen; danach alle Optionen wiegen und nach Gewicht entscheiden, was mitkommt)
  • viele Tomaten und Eier als Wandersnack (leichtes Gemüse wie Paprika wählen)
  • 3 Zahnpastas (kein Kommentar)
  • Rucksack nur an einem Träger tragen (wenn man den Rucksack gut mit allen Bändern über der Hüfte zuschnürt und die schweren Sachen circa im Lendenwirbelbereich nach an Rücken trägt, wiegt er fast gar nichts)

Herberge: https://gite-achacunsonchemin.com/

Livinhac-le-Haut – Figeac (23,5km, 5,5h, 36 Grad)

Bei so krassen Temperaturen ist es wichtig, früh zu starten. Normalerweise versuchen wir zwischen 6-6:30 Uhr loszukommen, nach circa 12 km oder der Hälfte des Weges eine Minipause zu machen, weiterzulaufen und kurz vor dem Ziel (bei circa 3-4km) unsere große Essenspause einzulegen. Danach kommt man so gegen 14-15 Uhr in der Unterkunft an, duscht sich, kauft vielleicht noch Essen für den nächsten Tag, wäscht die Wäsche (denn bei nur zwei Outfits muss man immer waschen) und entspannt bis zum Abendessen. Um 21-22 Uhr ist dann auch schon Zapfenstreich. 

Doch nicht so bei Nathalie in Figeac! Nach unserer Ankunft wurde geredet und geredet und noch mehr geredet. Wir wollten einfach nur duschen und uns den Mix aus Schweiß-Sonnencreme-Dreck (man glaubt gar nicht wie dreckig man dann letztendlich ist!!) abwaschen und die Füße hochlegen. Doch das extrafeine Abendessen ließ uns dann doch ihren Laberflash vergessen!

Herberge: https://www.podiensis.com/hebergement/263-gite-detape-gite-le-pont-du-pin

Figeac – Cajarc (33km, 7,5h, 35 Grad)

Was für eine elendig lange Etappe! Am Vortag machte uns Nathalie schon Angst: „kein Schatten, viele Kilometer und nur Steine“. Das klang doch vielversprechend! Tatsächlich hatte sie mit der Länge der Etappe Recht, doch mit dem Rest glücklicherweise nicht. Es zog sich und zog sich und die Aussicht, dass wir an diesem Tag bei Couchsurfern waren, beflügelte uns auch nicht gerade, denn wir wussten, dass wir uns dann nicht einfach mal drei Stunden auf die Betten schmeißen können, um zu entspannen. Als uns dann am Ortseingang auch noch ein bereits bekannter Mitpilger schon geduscht entgegenkam und uns fragte, ob wir wohl viele Pausen gemacht hätten, weil wir so spät ankamen, wäre mir fast die Hutschnur hochgegangen!! Nach 33km kurz vorm Kollaps (körperlich und mental!), die Temperaturanzeige der Apotheke zeigt 38 Grad und dann kommt dieses französische Bübchen und bringt diesen Spruch! La grande classe! Dabei sind wir an diesem Tag 6km weitergegangen als er! Bei den Couchsurfern Brian und Cécile war‘s dann letztendlich entspannter als gedacht und sie fuhren noch mit uns zu einem outdoor Jazzkonzert im Nachbardorf und zeigten uns die Umgebung.

Cajarc – Varaire  (24,8km, 6,5h, 31 Grad)

Bei dieser Etappe mussten wir tatsächlich mit Taschenlampenlicht los, da die Straßenlaternen noch nicht eingeschaltet waren. In Frankreich gibt es in vielen Städten ein Programm zur Einsparung von Licht über Nacht und da wir ja nur in der Pampa unterwegs sind, war‘s stockmauernfinster! Die Landschaft war wenig spannend und extrem trocken, doch wir kamen gut durch und erreichten Varaire, wo wir uns bei Louise und Patrice gleich mal ein belebendes Fußbad und eine Massage mit ätherischen Ölen gönnten. Und schon sollte das Karma wieder zurückschlagen, denn als wir schon schön entspannt beim Fußbad saßen, kam das französische Bübchen an und war von der Hitze und schlecht aufgetragener Sonnencreme schwer gezeichnet. Er konnte nur eine kurze Rast machen, denn er musste noch 5km weiter gehen. Wir verkniffen uns den Kommentar, denn unser Motto ist ja nicht Auge um Auge ;). Diesmal gab‘s keine Verköstigung durch die Gastgeber, denn sie wollten sich um das seelische Wohl der Gäste kümmern. Deshalb waren Nudeln mit Tomatensoße angesagt, die noch fast zwei weitere Tage reichen sollten! Kulinarik pur!

Herberge: https://clos-des-escoutilles.eu/

Varaire – Cahors (31,5km, 7,5h, 31 Grad)

Wie der Kerl in Katy Perrys hot and cold standen wir vor der großen Entscheidung: bis nach Cahors gehen – ja oder nein?! Die Etappe von Figeac nach Varaire hing uns noch in den Beinen und blieb uns nicht in sonderlich guter Erinnerung. Es wäre wieder eine 30+ Etappe und auch die Temperatur sollte wieder 30+ sein und unterkunftsmäßig sah’s mau aus, sollten wir früher Schluss machen müssen! Da wir uns am Vortag darauf geeinigt hatten, nur 20 km zu gehen, da es danach bis Cahors keine freien Unterkünfte mehr gab, sind wir auch nicht sonderlich früh gestartet, sondern erst um 7. Erstaunlicherweise ging es aber so gut, dass wir schon um 11:30 beim eigentlichen Ziel angekommen waren, weshalb wir uns dann spontan doch dazu entschlossen, noch weitere 12km bis nach Cahors zu gehen. 

Und dann hatten wir es tatsächlich geschafft und landeten sogar in einem Donativo. Das ist eine Unterkunft, bei dir man so viel geben kann, wie man möchte. Uuuund wir waren in einem Zimmer mit nur zwei Betten. Also alles richtig gemacht! Mit uns in der Unterkunft waren noch zwei mittelalterliche Französinnen, die deutlich weniger Geld gegeben haben als wir und da wir das Geld nur in eine Box legen sollten, weiß die Herbergsfrau jetzt nicht, wer die Geizhälse waren! Wir hoffen, dass nicht wir im Verdacht stehen!

Herberge: https://www.lesateliersdeletoile.com/accueil-p%C3%A8lerins

Cahors – Lascabanes (24,7km, 6h, 36 Grad)

Irgendwann musste der Moment ja wieder kommen … wir fingen an zu stinken! Trotz täglichen Duschens, bleibt der Mief nicht aus, wenn man die Wäsche jeden Tag nur per Hand waschen kann. Und bei den hohen Temperaturen kommt die Schwitze aus jeder Ritze! Vorallem da es gleich in Cahors mit riesigen Treppenstunden ordentlich bergauf ging! Und auch ein weiteres Missgeschick passierte uns: wir sind falsch abgebogen, haben es aber glücklicherweise schon nach einem Kilometer bemerkt und sind umgedreht. Normalerweise folgt man auf dem Jakobsweg immer dem Muschensymbol (dorthin, wo die Strahlen zusammenlaufen), doch auf den unterschiedlichen Wegen gibt es auch unterschiedliche Markierungen und manchmal zweigen Varianten ab, die zwar an’s gleiche Ziel führen, aber noch an diesem und jenem katholischen Ort vorbeiführen. Und genau so einer Variante sind wir hinterher gehatscht. Dann wurden wir auch noch von einem Passanten gefragt, ob wir den Weg wohl machen, um Gewicht zu verlieren. Ganz schön viel passiert an diesem Tag, aber das Highlight sollte erst kommen! Zunächst mal kamen wir in einer wunderbar urigen Unterkunft bei Jean-Mi und Marie an. Ein betagteres Ehepaar, die jeden Tag Pilger beherbergen und mit ihnen zu Abend essen, dabei köstlichstes Essen kredenzen und bestimmt auch die ein oder andere Seele reinigen. Mit uns im Zimmer hatte ich dann endlich mal oberpfälzer Verstärkung, denn zufällig kamen zwei Pilger aus Hainsacker in unser Zimmer. Dass wir auch noch ein paar gleiche Bekannte haben, machte den Zufall dann noch schöner!

Herberge: https://www.gite-etape-bleue.com/

Lascabanes – Lauzerte (25km, 6,5h, 36 Grad)

Nach der dürren Steppe der letzten Tage wurde die Flora endlich wieder grün! Saftige Wiesen, die zu Pausen einluden, schattige Bäume – es war herrlich! Die Herberge war ziemlich mies – es fühlte sich an, wie in einem Krankenhaus und auch die Verpflegung war echt mau, obwohl uns am Telefon noch angespriesen wurde, dass alles selbstgemacht ist. Weil wir nach einem vegetarischen Gericht gefragt hatten, wurden wir auch noch von der Herbergsmutter gedisst. Es gab Reis mit Crème Fraiche Soße – nahrhaft ist anders! Bisher hatten wir es immer gut erwischt und konnten leckeres Essen schnabulieren, aber diesmal war das ein Satz mit X. Mit uns in der Unterkunft war eine Gruppe, die durch einen Priester angeführt wurde, der bei über 30 Grad im schwarzen Talar wanderte – was sag ich: rannte! Die sind immer betend an uns vorbeigebraust und dann doch am gleichen Ort gelandet. Soviel steht fest: der Priester konnte seinen Talar nicht waschen, er wäre ja nie und nimmer getrocknet. Er hatten sich auch schon herrliche Schwitze-Salz-Ränder auf seinem Rücken gebildet.

Herberge: https://www.gitecommunal-lauzerte.com/

Lauzerte – Moissac (28,7km, 7h, 38 Grad)

Es war eine Arschbacken-zamzwickn-Etappe! Augen zu und durch! Die letzte Etappe sollte uns nochmal einiges abverlangen, denn obwohl es bis zum Ortsschild von Moissac nur 24km waren, musste man sich noch fast 5 weitere km bis zum Bahnhof durchkämpfen. Und das alles am heißesten Tag der ganzen Wanderung. Doch es lief erstaunlich gut für die lange Strecke, denn wir hatten uns schon auf’s Schlimmste eingestellt. Der Weg zog sich über lange, heiße Teerstraßen und Hühner wollten uns den schon schwitzenden Brotzeitkäse stibitzen, aber wir konnten ihn verteidigen und kamen dann ziemlich entkräftet am Bahnhof an. Da unser Flixbus am nächsten Tag von Montauban aus ging, fuhren wir gleich am Abend mit dem Zug dorthin. Eigentlich sollten wir dort bei einer Couchsurferin übernachten, aber sie hat sich (bis heute) nicht mehr gemeldet.

Die 10 Tage sind komplett schnell verflogen. Ingesamt 265km liegen wieder hinter uns und was haben wir gelernt?

  • manchmal täuscht der erste Eindruck
  • wir sind noch nicht eingerostet
  • es ist noch immer besser zu zweit
  • diese Orte Frankreichs hätte wir wohl ohne den Weg nicht gesehen

Und zum Ende noch eine kleine Weisheit

Bitte ans Lächeln denken

Man ist nicht dafür verantwortlich, welches Gesicht man hat, aber wohl dafür, welches Gesicht man macht!

Ultreia!

Abonnement in der Achterbahn der Emotionen 🎢

Diesen Blogeintrag starten wir mit einer kleinen Übung:

Stell dir vor, du bist 16 und sitzt im Break-Dance auf dem Volksfest. Der Sicherheitsbügel drückt in die Lendengegend, Zweifel kommen auf, ob vielleicht die Kombinaton aus Zuckerwatte, Bier, Volksfestkäs und gebrannten Mandeln doch keine gute Idee war, der Angestellte im Kassenhäuschen spricht mit 100 Echos geschmeidig in sein Mikro: „Alle einsteigeeeen. Eine neue Rrrrrrunde, eine neue Wahnsinnsfahrt. Endspurrrrrrrrt. Andále andále!“, die Nebelmaschine vernebelt dir alle Sicht und nimmt dir die Luft und aus den Lautsprechern schallt Jon Bon Jovis It’s My Life.

Kannst du dir das vor deinem mentalen Auge vorstellen? Ja?! Dann weißt du jetzt ungefähr, wie es mir die letzten 3 Monate vor der Abreise aus Argentinien ging. Irgendwo zwischen Ekstase, Bammel, Glücksgefühl und Magenschmerzen. Letzteres sogar nicht nur im übertragenen Sinne, denn 3 Tage vor meinem Rückflug nach Deutschland wollte auch noch der Blinddarm raus, um auf immer und ewig in Argentinien zu verweilen. Der alte, schmerzhafte Lump!

Aber erst mal der Reihe nach! Ein paar bedeutungsvolle Sachen sind vor meiner Abreise ja dann doch noch passiert und ich kann euch sagen, es ging dann tatsächlich Schlag auf Schlag! Und schon stand langersehnter Besuch aus der Heimat an!! Endlich war die Zeit gekommen, dass ich das Argentinien, von dem ich immer erzählte, auch mal zeigen kann! Wir verbrachten herrlichste Tage zusammen!

Buenos Aires

Península Valdés

Mein zweiter Trip zur Península Valdés war nicht weniger aufregend als der erste. Zwar wusste ich schon, was mich erwartet, aber mit der ganzen Familie dorthin zu fahren und diese faszinierende Natur zu sehen, war noch das i-Tüpfelchen! Neben der obligatorischen Walexkursion, fuhren wir über die Insel, nach Punta Tombo zur Pinguin-Kolonie und zur Playa Dorada.

Cataratas de Iguazú

Nach einem kurzen Stop in BA ging es dann gleich schon weiter zum nächsten Augenschmaus: den Iguazuwasserfällen! Auf jeden Fall eine Reise wert und unbedingt die argentinische UND brasilianische Seite anschauen, wenn man Zeit hat!

https://www.youtube.com/shorts/d76-hHJhHzg (argentinische Seite)

https://www.youtube.com/shorts/VEreMEbOf2g (brasilianische Seite)

Argentina campeón!

Und dann war da ja noch was Ende des Jahres! Scherzhaft meinte ich vorher noch, dass es ja ein wundervolles Abschiedsgeschenk wäre, würde die Albiceleste tatsächlich die WM gewinnen – und dann passiert das einfach! Seherische Fähigkeiten, sag ich euch! 🙂 Das fußballverrückte Land stand schon zu Beginn Kopf, denn es war ja Messis letzte WM und er muss den Pott doch einmal in seinem Leben holen! Somit war auch von Kritik am Austragungsland nirgends etwas zu spüren. In der Schule wurde das Thema auch mit allem Ernst behandelt und somit diskutierten wir, wie die Unterrichtsbeginn- und -endzeiten bei Spielen der argentinischen Nationalmannschaft angepasst werden sollten, damit möglichst viele Schüler in der Schule sind, um ihnen Bildung zukommen zu lassen – verrückte Welt! Allerdings durfte diese Sonderregelung nicht auf die Spiele Deutschlands angewandt werden. Wo kämen wir denn da hin, wenn man an einer Deutschen Auslandsschule für Spiele der deutschen Nationalmannschaft Ausnahmeregelungen geltend machen würde?!?! Nicht vorzustellen!

Die Euphorie steigerte sich mit jedem Sieg und dann standen sie einfach im Finale. Aufreibende Minuten während des Elfmeterschießends und dann endlich wurde der langersehnte Traum Wirklichkeit. Ein Raunen der Erleichterung ging durch Buenos Aires, gefolgt von Jubel und ausgelassenem Feiern. Braucht mir doch keiner erzählen, dass der gute Diego von oben aus nicht was gedreht hat!!

Bedauerlicherweise passierte Ähnliches, wie bei Maradonas Tod: der Tag des Finales war eine rießige Party und als die Nationalmannschaft dann ankam (die Regierung hatte wieder die Spendierhosen an, um Umfragewerte zu erhöhen, und ein Feiertag wurde ausgerufen) schwappte diese positive Stimmung leider in viel Zerstörung, Agression und bekloppte Entscheidungen um. Auch manche Nationalspieler verhielten sich meiner Meinung nach unglücklicherweise nicht vorbildhaft und so konnten wir die Ankunft der Nationalelf nur am TV verfolgen, da die Menschenmassen einfach mal wieder unkontrollierbar wurden. Eigentlich war der Plan, dass der Bus mit den Spielern die Prachtstraße 9 de julio entlangfährt, doch durch das Verhalten der Fans (stürmen der Zufahrtswege, Vandalismus, etc.) und die Inkompetenz der Sicherheitsbehörden war das zu riskant, sodass dann letztendlich fast niemand die frischgebackenen Weltmeister sehen konnte und sie nur ein Mal mit dem Helikopter (!!!) über die Mengenmenge flogen. Da hatten wir vom Balkon aus fast noch nen besseren Blick als im Getümmel! 🙂 Das hätte man alles anders lösen können und es hätte trotzdem Spaß gemacht. Hier einige Beispiele der ausartenden Feierei:

Abschiede und Tränen

Der ausgelassenen Stimmung nach dem Finale folgte dann für mich zumindest die tränenreiche Zeit der Abschiede, denn das Schuljahr ging Ende Dezember zu Ende und somit auch meine Zeit als Lehrerin an der Temperley Schule. Und ich muss sagen, das Gehen wurde mir echt nicht leicht gemacht. Zwar war ich nur drei Jahre an der Schule, doch viele Schüler und Kollegen sind mir ganz schön ans Herz gewachsen. Emotional waren es aufwühlende letzte Wochen, doch das zeigt ja auch, dass ich die Zeit dort wirklich genossen habe.

Wildes Patagonien

Nachdem die Schuljahresabschlussfeierlichkeiten und Weihnachten bei sommerlichen Temperaturen dann rum waren, stand noch eine weitere Reise an. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich das Reiseziel Argentiniens schlechthin nämlich noch gar nicht gesehen: PATAGONIEN! Da passt es wie die Faust auf’s Auge, dass eine Freundin aus dem Referendariat auch noch einen Abstecher nach Südamerika machen wollte und so verbrachten wir 3 herrliche Wochen mit Zelt und Leihauto im Süden Argentiniens.

Mit dem Flugzeug ging’s nach Calafate, wo wir uns ein Auto liehen und sofort ins Wandermekka El Chaltén weiterdüsten. Schnell wurde uns klar, dass der argentinische Sommer in Patagonien nichts mit den herrlich heißen Temperaturen Buenos Aires´ zu tun hat und so musste nach einer bitterkalten Nacht erstmal ein neuer Schlafsack her, sonst wäre dieser Trip eine einzige Schüttelfrostpartie geworden.

Nach ein paar wunderbaren Tagen beim Fitz Roy (den man auch auf dem Patagonia Logo sieht), zog es uns weiter nördlich zum Lago del Desierto und dem Huemul Gletscher.

Dann stand schon einer der Hauptpunkte unserer Reise auf dem Plan, nämlich der bekannte Gletscher Perito Moreno. Das Eisfeld des Gletschers bildet das drittgrößte Trinkwasserreservoir weltweit und laut Angaben hält es seine Größe ungefähr im Gleichgewicht und wird nicht deutlich weniger wie leider viele andere Gletscher.

Vielleicht wird es auf den Bildern nicht deutlich, aber es ist eine ganze Menge Eis! Wenn dann etwas abbricht und ins Wasser stürzt gibt es ein enormes Getöse und besonders spektakulär ist es, wenn sich so ein abgebrochener Eisberg umdreht und so preisgibt, was unter der Wasseroberfläche schlummert.

Wirklich ein atemberaubendes Naturschauspiel. Weiter führte uns in die Reise über die Grenze nach Chile in den Nationalpark Torres del Paine.

Zunächst mussten wir aber über die Grenze…. mit einem Kofferraum voller Lebensmitteln, denn wir haben uns ja meistens mit dem Campingkocher köstlichste Campingkost kredenzt (von Gemüse über Obst, Trockenfrüchten und Nüssen war alles dabei). Also sind wir so voll beladen zur Grenze gefahren und haben ganz brav unsere Vorräte deklariert. Der Kontrolletti des Grenzübergangs kam dann mit zum Auto, um sich ein Bild der Sachlage zu verschaffen und ich kann euch sagen, ich habe noch nie so viel Verzweiflung im Gesicht eines Menschen gesehen. Er stützte sich mit den Händen auf den offenen Kofferraum, seufzte und teilte uns mit, dass wir eine saftige Strafe umgangen sind, weil wir ja wahrheitsgemäß alles deklariert hatten und dass wir eigentlich fast nichts unseres Essens mit nach Chile nehmen dürfen. EIGENTLICH! Mit großen Augen und leidvoller Stimme klagten wir ihm, dass wir das nicht wussten und dass wir ja sonst nichts zu essen hätten und dann hat er diese Worte gesagt: „Bueno, ustedes se van rápido de aqui y no lo van a decir a nadie“ (Also gut, ihr fahrt jetzt schnell weiter und sprecht mit niemandem darüber). Damit schloss er den Kofferraumdeckel, wir huschten ins Auto, über die Grenze und freuten uns wie Schneeköniginnen, dass wir nichts abgeben mussten. Tatsächlich kam auch bis zum Nationalpark keine Einkaufsmöglichkeit mehr und somit mussten wir nicht mit knurrenden Mägen ins Zelt kriechen. Das war auch besser so, denn am nächsten Tag stand eine ziemlich harte Wanderung zu den 3 Türmen (los 3 torres) an. Viele Wanderskollegen konnten den am Ende doch sehr steilen Wegnur mit Müh und Not schaffen, andere gar nicht. Nach circa 8 Stunden oben angekommen haben sich aber alle Strapazen gelohnt und man hatte einen wundervollen Blick auf den See und die drei Türme.

Wir tummelten uns dann noch ein bisschen im Nationalpark, der im Vergleich zu den argentinischen Nationalpark deutlich teurer und von weitaus mehr internationalen Wanderern besucht ist.

Zu guter Letzt wartete dann noch etwas animalisches auf uns, denn wir besuchten die größten Pinguine, die außerhalb der Antarktis leben: Königspinguine. Man durfte sich ihnen nicht so stark nähern wie den Magellanpinguinen in Punta Tombo, doch trotzdem war es herrlich diese weiß-schwarz-gelben Kollegen sehen zu können.

Bei der Kameraführung alles gegeben!

Das war’s also mit Arbeiten in Argentinien. Und jetzt die große Frage, die mir sicher irgendwann jemand stellen wird: „Und? Wie war’s?“ Wir ihr aus eigener Erfahrung wisst, ist es schon schwer einen 1-wöchigen Urlaub in einem Satz zusammenzufassen, geschweige denn 3 Jahre in einer Kultur, die so anders ist, als alles, was ich gewohnt war. Ein kurzer Satz mit einem lapidar gewählten Adjektiv würde der Erfahrung nicht im enferntesten gerecht werden. Ich hatte nie vor, Spanisch zu lernen – es gefiel mir einfach nicht. Und dann kam das Stellenangebot aus Buenos Aires. Jetzt köntne ich mir nicht vorstellen, auf Spanisch zu verzichten. Es ist nicht nur eine Sprache – ein Kommunikationsmittel- , die ich gelernt habe, vielmehr sind es Geschichten, Menschen, Erinnerungen, Erfahrungen, die mir diese Sprache beschert hat. Und von denen ich nichts und niemanden missen möchte – weder die guten, noch die schlechten.

Ziehen wir mal eine kleine Bilanz. Ich hatte mir zu Beginn meiner Zeit in Argentinien 3 Ziele gesetzt:

  1. Tango tanzen lernen: Das kann doch jeder Argentinier, oder? Hm, nope. Eigentlich können das wirklich nur sehr wenige aus meinem Umfeld. Es ist jetzt auch nicht gerade ein Tanz, den man beim Feiern lernt und anwendet. Anstelle von Tango hab ich gelernt Cumbia, Quartetto und Bachata mit viel Unterstützung des argentinischen Kollegiums auf diversen Feiern einigermaßen zu tanzen. Und am Ende war ich noch bei einer Milonga (http://tango-kurs.com/was-ist-eigentlich-milonga/) mit Tanzstunde und habe eine Winzigkeit Tango gelernt. Also: Ziel 1 erfüllt!
  2. Spanisch lernen: Etwas naiv kam ich mit sehr geringen Spanischkenntnissen nach Argentinien. Doch durch die lange Ausgangssperre und den Online-Unterricht blieb mir einige Zeit, das zu ändern. Es gibt natürlich immer noch Verbesserungsbedarf. Meine Erzfeinde por/para und ser/estar me hinchan los quinotos und manchmal erfinde ich auch Wörter, aber es läuft. Also: Ziel 2 erfüllt!
  3. : Tatsächlich habe ich das dritte Ziel vollkommen vergessen. War wohl a gscheider Grampf.

Noch ein Schmankerl zum Schluss. Ein bisschen oberpfälzisch musste trotz all meiner Anstrengungen Hochdeutsch zu sprechen (nicht immer erfolgreich) dann doch in den Unterricht einziehen. Na wer versteht alles?

Da bleibt nur noch zu sagen: „Every new beginning comes from some other beginning’s end.“ (Seneca fest. Semisonic)

Ciao amici, arrivederci! Weiter geht’s mit Jakobsweg!

Oh, wie schön ist Argentinien!

Kann es schon wieder sein, dass mehr als ein Jahr rum ist seit dem letzten Blogeintrag?! Frechheit! Mittlerweile bin ich nicht mehr in Argentinien, sondern in Italien – aber dazu erzähl ich vielleicht später mehr. Was soll ich sagen? Es ist erneut viel passiert und wir müssen darüber reden. Ich hoffe, du hast ein bisschen Zeit mitgebracht. (Jetzt wäre der Moment, um Getränke und Snacks zu holen – vielleicht sogar eine ganze Snackbox (aber nur die gute!!), denn es kann länger dauern).

Mein letzter Blogeintrag endete ja mit dem Versprechen, noch über die zweite Jahreshälfte von 2021 zu erzählen. Nachdem die Schule dann ja wieder in Präsenz begann und sich so langsam ein wenig mehr Normalität einschlich, stand bei mir immer noch das Thema Impfung aus. Dafür wurde uns erlaubt, nach Deutschland zu fliegen, zweimal impfen zu lassen und einige Wochen Fernunterricht zu machen. Das hat erstaunlicherweise ziemlich gut geklappt!

Península Valdés und Punta Tombo

Nach der Rückkehr aus Bayern habe ich mit einer Freundin und Kollegin Maria eine Reise zu den Walen auf die Pensínsula Valdés gemacht. Und es war einfach atemberaubend, diese großen Lebewesen in ihrem natürlichen Habitat so nah sehen zu dürfen.

https://www.youtube.com/shorts/V9Ms-nD45as

https://www.youtube.com/shorts/cC_ETKSYAt0

https://www.youtube.com/shorts/0itR04R6ALk

Aber dort gibt es nicht nur Wale zu sehen, sondern auch etliche andere Tiere – wie Guanacos, Gürteltiere oder Magellan-Pinguine. In Punta Tombo befindet sich sogar die weltweit größte Brutstätte dieser Pinguinart. Soweit das Auge und das Ohr reicht, sieht man Pinguine watscheln und nach ihren Partner rufen. Magellan-Pinguine suchen sich ihren Partner for life und treffen sich dann einmal im Jahr bei ihrem Nest. Zuerst kommt das Männchen an, macht das Nestchen fein und wartet schreiend auf das Weibchen, das anhand des einzigartigen Rufes zu seinem Männchen findet. Hier ist so ein Schreihals: https://www.youtube.com/shorts/awxR0gfuG-I

Auf seinem Weg zum Nest muss es sich allerdings allerhand Balzerei stellen, denn es gibt natürlich auch Bachelor Männchen und verwitwete Männchen. Dann werden meist zwei Eier gelegt und der Rest der Zeit ist Rumliegen, Putzen oder Futter suchen.

https://www.youtube.com/shorts/Cn-XfXtQeHQ

https://www.youtube.com/shorts/-7eH1_3j7ik

Sowohl die Península Valdés als auch Punta Tombo sind ziemlich abgelegen von jeglichem Leben. Es wird wiedermal sehr deutlich, wie riesig dieses Land ist und wie viele verschiedene Seiten es hat. Einfach wundervoll!

Das letzte Schuljahr beginnt!

Nach Schuljahresende ging’s dann wieder in die Heimat und wir haben eine kleine Deutschlandtour gemacht. Santi stand zum ersten Mal auf Langlaufskiern und ich denke, wir können ihn dann nächstes Jahr in Paris bei den Olympischen Spielen starten lassen! Er braucht sich nicht vor Klaebo zu verstecken. Nach dieser herrlichen Reise und den Tagen im Schnee musste bei der Ankunft in Buenos Aires erstmal ein Schockmoment durchgestanden werden: aufgrund eines Wasserschadens in der Wohnung über mir, lag ein Großteil der Decke auf dem Fußboden! Das bedeutete, dass wir erstmal umziehen mussten. Insgesamt habe ich am Ende dann insgesamt in 5 verschiedenen Vierteln gewohnt und auch Stadtteile außerhalb San Telmos kennengelernt – aber es ist und bleibt trotzdem mein Favourit.

https://www.youtube.com/shorts/Lp-GC7r5xM4

An der Küste Uruguays

Um diesen Schock zu verdauen, musste ein Kurzurlaub her: Uruguay stand auf dem Plan. Ein neues Land im Country-Count konnte eingetragen werden. Als eines der kleineren Länder Südamerikas, ist in Uruguay eher wenig geboten. Es ist relativ unscheinbar, aber je länger man die Küste Richtung Brasilien hochfährt und sich so von der braunen Pampe, dem Rio de la Plata, entfernt, desto schöner werden die Strände. Wir konnten sogar Delfine sehen. Zum Ausspannen ist Uruguay auf jeden Fall eine Reise wert.

Córdoba im Herbst

Im argentinischen Schuljahreskalender gibt es ja einen großen Block an Sommerferien, aber während des Jahres nur 3 Wochen weitere Ferien. Das kann sich manchmal schon ein bisschen ziehen. Doch, findig wie die Argentinier sind, werden dann mal schnell lange Wochenenden zu „touristischen Zwecken“ eingebaut. Eines dieser Wochendenden verbrachten wir in der Provinz Córdoba. Bei manchen unter euch klingelt es vielleicht gerade und die Worte „Schmach von Córdoba“ erscheinen. Um dieses negativ konnotierte Bild im Handumdrehen loszuwerden, werde ich euch jetzt ein paar andere Informationen zu dieser tollen Provinz präsentieren. Es wurde schon argentinischer Herbst und die Blätter färbten sich in den schönsten Farben. Trotzdem wärmte die Sonne noch herrlich und es war lange hell. Wir düsten mit dem Auto herum, erkundeten die ruta de las 100 curvas und altas cumbres und besuchten auch die „deutschen“ Städte/Dörfer Villa General Belgrano und La Cumbrecita. Jetzt fragst du dich vielleicht, warum im Herzen Argentiniens so etwas zu finden ist. Ich erzähl’s dir – keine Sorge 🙂

Interessanterweise gibt es in Córdoba eine beträchtliche Anzahl an Deutschen oder Deutschstämmigen (sogar eine Deutsche Auslandsschule), jedoch handelt es sich hierbei nicht ausschließlich um die Deutschen der 1., 2. und 3. Immigrationswelle (siehe letzter Blogeintrag). Nein, die Ansiedlung Deutscher in Córdoba verhält sich u.a. so: Eines schönen Dezembertages des Jahres 1939 schipperte das deutsche Kriegsschiff – Admiral Graf Spee – auf der braunen Suppe in das Delta des Rio de la Plata zwischen Buenos Aires und Montevideo. Es traf dort auf ein Kriegsschiff Großbritanniens. Lange Rede, kurzer Sinn. Die Kriegsschiffe beider Seiten machten peng peng und weil die Lage für die Graf Spee aussichtslos war machte sie freiwillig blubb blubb. Bei der deutschen Besatzung machten die Handschellen klick klack und in ruckelnden und zuckelnden Zügen wurden sie in die Provinz Córdoba verfrachtet und unter Arrest gestellt. (Warum ausgerechnet nach Córdoba konnte ich auch nach längerer Recherche nicht herausfinden.) Bueno, nach der Haft, blieben viele dort, da sich währenddessen wegen der guten Möglichkeit, günstig Land zu kaufen, schon weitere Deutsche angesiedelt hatten. Diese „deutschen“ Dörfer sind richtige touristische Anziehungspunkte. Es gibt sogar ein Oktoberfest! Hier ein kleiner Einblick:

A guade Muse is a dabei: https://www.youtube.com/shorts/txNe2SshXng

Bier, Würste und Kraut – da lacht das argentinische Herz. Mädchen machen im Dirndl Werbung. Oben rum wird nach dem Motto „aussa mit de Depf“ alles gegeben, untenrum hört die Schürze 20cm über dem Rock auf und die Schleife ist hinten gebunden. Liebe Bavaria, da stellt es mir vor Traditions-Gänsehaut alle Haare auf und mein bayerisches Herzerl bricht a bissl!! Dass das zum einen kein aktuelles Bayernbild vermittelt und zum anderen die restlichen 15 Bundesländer außen vor lässt, versteht sich von selbst. Aber: es ist und bleibt ein beliebtes Reiseziel der Argentinier und weltweit gesehen sind die zwei kleinen Städtchen keine Ausnahme, wie dieses Video zeigt:

https://www.youtube.com/watch?v=VxrL8La1BjM

Der bergige Norden

In den Winterferien (Juli) ging die Reise – wieder mit Maria – in einen anderen Teil Argentiniens: in den trockenen, staubigen Norden. Wir machten zusammen und mit einem kleinen Autochen die Straßen der Provinzen Tucumán, Salta und Jujuy (ausgesprochen: Chuchuiii) unsicher. Diese drei Provinzen sind für den Weinanbau, die Salzbecken und die bunten Berge bekannt. Unsere Reiseroute war diese: San Miguel de Tucumán – Tafi del Valle – Cafayate – Cachi – Purmamarca – Tilcara – Salta.

https://www.youtube.com/shorts/_JjLVbApTOA

Dass wir manchmal ziemlich in den unendlichen Weiten unterwegs waren, merkten wir spätestens bei einer Autofahrt von Cachi nach San Antonio de los Cobres, wo wir eigentlich den berühmten Wolkenzug erwischen wollten. Nun ja. Spoileralert: der Zug fuhr ohne uns. Aber wie kam’s dazu? Die Tankstelle in Cachi hatte an diesem Tag unserer Weiterfahrt kein Benzin mehr und eigentlich sollte die Fahrt laut Google Maps auch nur 3,5 Stunden dauern. In San Antonio de los Cobres wurde eine Tankstelle angezeigt. Hm, wir tuckelten also los und merkten dann nach circa 1 Stunde auf der legendären Ruta 40, welche von Bolivien bis Patagonien führt und die auf weiten Strecken nur aus Schotter besteht, dass unsere Kalkulation nicht aufgeht. Hier ein Einblick in die Streckenführung:

https://www.youtube.com/shorts/44JVlX-1ZTo

https://www.youtube.com/shorts/KKWuYQs4JDs

So sprachen wir ein paar Arbeiter, in einem Dorf mit 2 Häusern an. Wir konnten sie aufgrund ihres starken Dialekts gerade so verstehen – ein bisschen wie Ignaz in Lissi und der wilde Kaiser (–> https://www.youtube.com/watch?v=YPPYwlKdsCY). Sie sagten uns, dass es jetzt bis San Antonio de los Cobres keine Tankstelle und auch kein Dorf mehr gibt und wir wieder zurückfahren müssen. In dem Dorf La Poma verkauft ein Mann aus Fässern Benzin… Okey! Nach 25 Minuten Rückfahrt und etlichem Herumfragen, konnten wir den guten Mann ausfindig machen, der uns dann tatsächlich aus seinen in der Garage aufgestellten Fässern den Tank füllen konnte. Auf Nachfrage sagte er, er mache das öfter, wenn es in Cachi keinen Benzin mehr gibt. Wir tuckelten also wieder zurück, an den Ignazen vorbei und auffi auf’n Berg. Durch zu wenig Eigenrecherche und Fehlinformation durch Google Maps, fuhren wir mit unserem kleinen Stadtauto auf den Pass Abre el Acay auf 4.895m von 2.280m in Cachi! Dabei trafen wir nach den Arbeits-Ignazen wirklich außer ein paar Alpakas niemanden mehr, mussten engste Kurven umschiffen und über halb tauende Gebirgsbäche brettern. Das mulmige Gefühl, dass gleich der Ofen aus ist, fuhr immer mit. Das Ende vom Lied: nach insgesamt 7 Stunden Fahrt war der Zug in San Antionio dann auch weg und wir froh nach weiteren 3 Stunden in Purmamarca angekommen zu sein. Und gscheid gschtaubt hod’s a:

Der Norden hat noch viiiiiel mehr zu bieten, aber dafür, dass wir nur zwei Wochen hatten, konnten wir Einiges sehen. Und über die Autofahrt von Cachi bis San Antionio werde ich wohl noch den Enkelkindern erzählen!

Apropos Ignaz!

Noch ein Schmankerl zum Schluss. Ein bisschen oberpfälzisch musste trotz all meiner Anstrengungen Hochdeutsch zu sprechen (nicht immer erfolgreich) dann doch in den Unterricht einziehen. Na wer versteht alles? 🙂

Das war’s dann wieder für heute! Ich hoffe, er war zumindest einigermaßen amüsant. Der nächste und abschließende Blog zu Argentinien steht schon in den Startlöchern. Seid bereit! 🙂

Ciao amici, arrivederci!

Gut Ding braucht Weile…oder eine Ewigkeit.

Liebe LeserInnen,

lang, lang ist’s her, dass ihr auf diese Weise von mir hören konntet. Was soll ich sagen?! Die Ideen waren zahlreich und an der Umsetzung haperte es gravierend! Um nicht zu sagen gänzlich! Allerhand ist passiert, also macht‘s euch gemütlich, holt euch ein paar Snacks, schnappt euch ein schönes Kalt- oder Heißgetränk (je nachdem auf welcher Halbkugel ihr euch befindet) und schärft die Äuglein!

Captain Schohanna is ready for take-off!

Zunächst eine Einschätzung der Gesamtlage und für die Statistiker unter euch ein paar facts & figures. Bei derzeit 25-30 Grad und zauberhaft sonnigen Frühsommertagen hat die Pandemie Argentinien immer noch stark im Griff. Die Impfbereitschaft ist hoch (82 % 1. Dosis, 69% vollständig) , die positiven Coronafälle steigen derzeit etwas (7-Tage-Inzidenz liegt bei 83) , zu erneuten Lockdowns kam es nicht mehr. Erst vor zwei oder drei Monaten fiel die Maskenpflicht al aire libre. Das heißt, dass wir hier das ganze Jahr mit Maske im Klassenzimmer verbracht haben.

Nachdem wir zuerst mit einem Gruppensystem ins neue Schuljahr gestartet waren, begaben wir uns kurzzeitig zurück in die Virtualität, um danach wieder in vollster Gänze und Gloria im Klassenzimmer zu sitzen. Jetzt ist das Schuljahr in den letzten Schritten, egresados (so werden Schüler bezeichnet, die die Vorschule, die 6. und die 12. Klasse beenden) sind überall feiernd anzutreffen. Dieser festliche Rahmen gefällt mir wunderbar!

https://www.instagram.com/p/CXmHIP2vIA8/?utm_medium=copy_link (Link zur Instagram Seite der Schule) Auf das Herz klicken und abonnieren, ihr wisst ja, wie das geht 🙂

Meine so sehr gewünschte und geliebte Weihnachtsstimmung hat sich aber trotz turbulenter Plätzchenbackaktion mit den Sechsklässlern (von Matschepampe bis Sandteig war alles dabei) und Weihnachtslieder rauf und runter hören dennoch nicht eingestellt. Es fehlte wohl an klirrender Kälte und am wärmenden Glühwein in der in Fäustlingen eingepackten Hand. Aber hier will ich mich gar nicht beschweren. Mit vollsten Vitamin D Speichern geht’s nämlich jetzt für mehrere Wochen nach Bayern bis hier das Schuljahr wieder beginnt!

Bariloche, Ville La Angostura, San Martín de Los Andes, Mendoza

Aber was ist eigentlich im letzten Jahr alles passiert? Einiges, meine Freunde, einiges! Zuerst habe ich die abgeschwächten Einschränkungen im argentinischen Sommer genutzt und bin ein wenig im Land gereist. Das war fabelhaft, denn bisher kannte ich hauptsächlich die Betonburgen der Hauptstadt. Im vergangenen Jahr konnte ich insgesamt 4 der total unterschiedlichen 23 Provinzen Argentiniens erkunden. Zuerst war ich in den Städten Bariloche, Villa la Angostura und San Martín de los Andes (benannt nach dem Nationalhelden und Unabhängigkeitskämpfer Argentiniens).

Ich bin auf Berge zu von deutschen Wanderfreunden erbauten Schutzhütten gestiegen, in gigantisch kalte Gletscherseen gesprungen, habe bei meiner ersten Reise allein viel über mich selbst gelernt und wundervolle Flecken Argentiniens gesehen.

Bariloche wurde von einem immigrierten Deutschen gegründet und heißt eigentlich San Carlos de Bariloche. Es ist eine der Städte in Argentinien, die viele deutschsprachige Einwanderer anzog. Deshalb spiegelt sich dieser alpenländische Einfluss an vielen Stellen im Stadtbild wieder:

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Exkurs: 3 Immigrationswellen aus Europa – die bewegte Einwanderungshistorie Argentiniens

  1. und größte Welle: zum ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert siedelten viele Deutsche und andere Europäer aus den von Aristokratie und Kaisertum dominierten Ländern in scheinbar stabilere Demokratien nach Südamerika, wo sich diese Staatsform bereits etablierte und auch große Ansiedelungsflächen anzutreffen waren. Die Länder waren augrund der flächendeckenden Auslöschung der indigenen Bevölkerungen dünn besiedelt und schienen attraktiv für Siedler, die nach mehr Freiheit und weniger staatlichem Diktat strebten.
  2. Welle: zwischen den beiden Weltkriegen zogen viele Europäer aus Angst vor dem stärker werdenden Antisemitismus und der instabilen wirtschaftlichen Lage in andere Länder fernab ihrer Heimat. Diese Welle war bedeutend kleiner als die erste und unter diesen Auswanderern waren auch zahlreiche Juden. Schon bald konnten die aber nicht mehr nach Argentinien einreisen, denn nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten und kurz vor Beginn des 2. Weltkrieges verabschiedete die argentinische Regierung das Dekret 11, das 1938 mit sofortiger Wirkung die Ausgabe von Visa an europäische Juden verbot. Dass die argentinische Regierung mit der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten sympatisierte, zeigte sich auch darin, dass Argentinien vermutlich nur pro forma Deutschland am 27. März 1945 (offizielles Kriegsende 2. September 1945) den Krieg erklärte. Dieser Schachzug hatte dann vor allem mit der 3. Immigrationswelle ertragreiche Auswirkungen für die Regierung unter Perón (genau, der Perón von Evita)
  3. und bekannteste, aber kleinste Welle: über die sogenannte Rattenlinie schafften es viele Anhänger, Kollaborateure und Kriegsverbrecher des Nationalsozialismus‘ aus zahlreichen europäischen Ländern den in ihren Heimatländern auf sie wartenden Gerichtsverfahren zu entkommen und sich nach Südamerika abzusetzen, wo sie im Falle von Argentinien mit offenen Armen empfangen wurden. Dieses Schmuggeln von Verbrechern war ein lukratives Geschäft für die argentinische Regierung. Bekanntere Figuren waren Josef Mengele (KZ Arzt von Ausschwitz), Adolf Eichmann (der später durch den Mossad enführt und in Israel vor Gericht gebracht werden sollte), Walter Rauff oder Erich Priebke (mitverantwortlich für das Massaker in den adriatinischen Höhlen bei dem 335 italienische Zivilisten als Vergeltung für den Tod von 33 Nationalsozialisten sterben mussten). –> https://www.youtube.com/watch?v=-3hsI3AUs88 Alle Zusammenhänge sind schaurig deutlich im Buch Odessa: die Wahre Geschichte: Fluchthilfe von NS-Kriegsverbrechern von Uki Goñi beschrieben (Leseempfehlung!!). In der Kurzform funktionierte die Flucht nach Übersee wiefolgt: Einreise nach Italien über die „neutrale“ Schweiz – neue Identitäten durch das Rote Kreuz + Unterschlupf im Vatikan – Verschiffung nach Argentinien (auch in andere Länder, wie Brasilien, Paraguay und Uruguay, doch der Anteil war deutlich geringer), Empfang im Netzwerk mit Wohnsitz, Job und Kontakten. Viele lebten bis zu ihrem Tod ein unbescholtenes und ruhiges Leben.

Für weitere Hintergrundinformationen: https://www.uni-muenster.de/imperia/md/content/religion_und_politik/aktuelles/2015/03_2015/ansichtssache_argentinien_als_zufluchtsort_fuer_nationalsozialisten.pdf

Puh…harter Tobak. Anstoß für die Recherche und das Lesen des oben genannten Buches gab mir eine Stadtführung in Bariloche „Huellas Alemanas – Deutsche Spuren“. All das rückt auch das Bestehen Deutscher Auslandsschulen in Argentinien in ein komplett anderes Licht und hat mir stark zu denken gegeben.

Exkurs Ende.

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Mit dem Bus durch das wunderbare Nichts nach Neuquén und Mendoza

Die Reise ging mit dem Bus weiter nach Neuquén (wenig spektakulär) bis nach Mendoza. Dabei durchfährt man für mehrere Stunden Gegenden, in denen einem wirklich nichts begegnet – kein anderes Auto, kein Haus, kein Netz. Halt Stop! Fast vergessen! Hier und da stehen dann schon Guanacos auf der Straße und grasen fröhlich vor sich hin. Kommt man dann näher an Mendoza reiht sich Weingut an Weingut und aus dem staubigen Gestrüpp werden grüne Reben. Hier konnte man wieder deutlich die argentinische Gastfreundlichkeit spüren, denn eine Frau, die in Bariloche im gleichen Hostel logierte wie ich, eine Mendocina (mendocino, mendocino, ich fahre jeden Tag nach Mendocino- vom Schlagerlump Michael Holm gecovert) bot mir prompt ihre Couch  als Übernachtungsmöglichkeit an.

In guter Gesellschaft konnte ich also mit Insider-Tips fantastische Tage in Mendoza verbringen. Mendoza liegt nahe der Anden, die man hier auch Cordillera nennt.

Argentinische precordillera

Und als kleine Wandermaus wollte ich das erkunden, weshalb ich mir eine Exkursion mit dem Namen alta montaña (Hochgebirge) gebucht hatte. Mit der Vorstellung von viel gekraxl und gewander – immerhin war die Exkursion für 12 Stunden angesetzt- warf ich mich in mein bestes Outdoor-Outfit, rieb mich eifrig mit Sonnencreme ein (safety first) und setzte mich erwartungsvoll in den Bus. Als dann die ersten betagteren Mitexkursionisten mit Halbschuhen und ohne tip-top Sonnenschutz einstiegen, kamen mir erste Zweifel, die sich im Verlauf des Ausflugs erhärten sollten. 10 der 12 Stunden verbrachten wir im Bus. Die restlichen 2 Stunden stiegen wir aus dem Bus aus, machten Fotos, stiegen wieder ein oder machten Pause. Man könnte sagen, ich war also leicht overdressed, aber bloß a bissal!! Lehrreich und spannend war die Exkursion aber letztendlich doch, denn wir hatten einen tollen Tag erwischt und sind bis auf wenige km an die chilenische Grenze gefahren. Auf dem Weg dorthin sahen wir die Ortschaften Potrerillos, Ursupalla, die Termas de Cacheuta, die Inka Brücke, den Aconcagua (mit 6.900 irgendwas höchster Berg außerhalb Asiens) und die ehemalige und schon ziemlich verfallende Bahnlinie, die von Mendoza bis Santiago de Chile führte. 

Erfüllt von atemberaubenden Eindrücken, bereichernden Begegungen und Gesprächen, dem Gefühl von Normalität, resilienter denn je und mit tausenden mentalen Fotos, ging das Flugzeug zurück nach busy Buenos Aires und ein neues Schuljahr erwartete mich.

Was in der zweiten Jahreshälfte passierte, folgt bald – Indianerehrenwort!

Es bleibt mir nur euch besinnliche Weihnachtsfeiertage inmitten eurer Liebsten und einen guten Start ins neue Jahr mit unerwarteten Abenteuern, Situationen des Hinfallens und Aufstehens und der Auskostung des Lebens bis zur Gänze zu wünschen. Passt auf euch auf!

Besitooos!

Cuídate es cuidarnos

„Indem du dich schützt, schützt du Andere“ – das ist der Slogan zu 2020 – meinem ersten Jahr in Buenos Aires. Es ist Zeit ein Zwischenfazit zu ziehen. Wie sicherlich jeder von euch, habe ich mir 2020 auch ganz anders vorgestellt als es dann letztendlich kam. Ich hatte große Pläne den südamerikanischen Kontinent und allem voran Argentinien unsicher zu machen. Doch dann kam nach nur wenigen Wochen Schule der Lockdown, der zäh immer wieder um 3 bis 4 Wochen verlängert wurde und in seiner strengen Form bis circa Oktober anhielt. Und dahin waren sie, die großen Pläne …dann mussten eben neue her! Zuerst hatte ich endlos viel Zeit, mich um meinen Balkongarten zu kümmern, der tatsächlich oft mein rettender Anker war. A bissl in da Erdn ummananda grom und schauen, wie was wachst – des daugt mir! Als dann Lockerungen beschlossen wurden, war schon der Spaziergang im Viertel drin. Ich wohne an der Grenze zu San Telmo. Eines der ältesten Viertel und auch an Stellen etwas heruntergekommen, war es einstmals bevorzugter Wohnort der wohlhabenden Oberschicht. Eine Gelbfieber-Epidemie im 19. Jahrhundert führte dann zu einer Massenflucht in die nördlicheren Stadtteile, die damals noch gar nicht existierten. Wer es sich also leisten konnte, übersiedelte in den höherliegenden und vor Überschwemmung geschützten Norden, der heute die reicheren Stadtviertel bildet. San Telmo füllte sich dann mit der nachrückenden proletarischen Bevölkerung aus dem Stadtteil La Boca (dort, wo auch die Bombonera des Vereins Boca Juniors steht) und mit Einwanderern. Normalerweise ist dieser Teil der Stadt mit seinen gepflasterten Straßen und zum Flanieren einladenden kleinen Geschäften und tollen Cafés – nicht zu vergessen mit dem herrlichen mercado San Telmo – ein Touristenmagnet.

Irgendwann kam dann der Zeitpunkt, ab dem man sich frei in ganz BA bewegen durfte. Mittlerweile kenne ich große Teile der Stadt wie meine Westentasche und habe sie sehr zu schätzen gelernt. Glücklicherweise wird es in BA nie langweilig, da immer irgendwo etwas Neues zu sehen/finden ist. Die Hauptstadt Argentiniens hat im Grunde kein richtiges Zentrum, sondern jedes Viertel ist wie eine kleine Stadt. Da gibt es sehr touristische Viertel (z.B. San Telmo, Microcentro), hippe Viertel (z.B. Palermo oder Belgrano), reiche Viertel (z.B. Recoleta oder Puerto Madero) und natürlich auch normale Wohnviertel, die den größten Teil ausmachen.

Buenos Aires steht nie still. Das durfte ich am Mittwoch, den 26. November wieder einmal am eigenen Leib spüren. An diesem Tag starb Diego Armando Maradona: Nationalheld, Geächteter, Fußballstar, Freund der Frauen, Legende, Gott. Wenn es um Proteste oder Feierlichkeiten geht, versammeln sich die Porteños entweder am Obelisken auf der Prachtstraße 9 de Julio oder dem Palast des Präsidenten, der Casa Rosada.

Casa Rosada

Beides nur wenige Gehminuten von meiner Wohnung entfernt. Ich erkor den Obelisken als mein Ziel aus und pfeilgrood war schon eine Horde fahnenschwenkender Fußballfans vor Ort, um ihren Diego zu feiern. Mit meinem vorher noch besorgten Gerstensaft in der Hand habe ich mir das Spektakel angesehen. Fangesänge wurden angestimmt und von Corona war für ein paar Stunden nichts zu spüren. Es war wirklich eine Feier des Lebens. Von Trauer war nichts zu spüren.

Auch in Argentinien trinkt man das Bier lieber kalt. Dem Halbnackten im Vordergrund ging die Liebe zu Diego sogar unter die Haut – weshalb er von mehreren Medien interviewt wurde.

Die Argentinier haben mir dort mal wieder eindrucksvoll bewiesen, wie findig sie sind, denn kaum waren ein paar Leute versammelt, kam schon einer, der Flaggen/Trikots verkaufte, der nächste brachte Bier für die trockenen Kehlen unter die Leute und es dauerte nicht lange, da stand auch schon ein Straßengrill parat. (3 Männlein vom Ordnungsamt wollten ihn verbieten, aber als protestierende Fußballfans ihr Recht diese parrilla dort stehen zu haben reklamierten und eine Traube um sie bildeten, zogen sie unverrichteter Dinge von Dannen).

Nein, da hat sich niemand übergeben – die Schüssel mit dem pico de gallo ist in aller Hektik runtergepurzelt 🙂

Für die nächsten 3 Tage war Staatstrauer angesagt und die Fahnen hingen auf Halbmast. Bereits in der Nacht wurde El Diegos Leichnam ins Casa Rosada überführt. Diese Ehre konnte ihm nur zu Teil werden, weil Diego ein Speezl von Alberto war. (Alberto Fernández ist der derzeitige Präsident Argentiniens. Manchmal werden die Präsidenten nur beim Vornamen genannt ohne dabei weniger respektiert zu werden. Das ist in etwa wie wenn die Schüler mich Frau Johanna nennen.) Am folgenden Tag hatten die Menschen Zeit an Diegos geschlossenem Sarg ihrem großen Idol ein letztes Lebewohl mit auf die Reise zu geben. (Manche sind dafür etliche hunderte Kilometer angereist und/oder sind nicht zur Arbeit gegangen. Nur um dann mehrere Stunden in der Hitze zu stehen und in Tränen aufgelöst an einem geschlossenen Sarg vorbeizugehen. War Diego überhaupt drin?!) Ab 6 Uhr morgens wurden die Türen geöffnet und schon mal gleich von nichtmaskierten Rambos gestürmt. Wirklich gestürmt – da hatte die Polizei keinen Auftrag. (Vermutlich waren das Diejenigen, die vorher die ganze Nacht durchgezecht hatten.) Dieses Verhalten war selbst mir zu heiß und ich habe dem Geschehen dann nur noch per TV beigewohnt. Mehrere Tage lang wurde über nichts anderes in den Medien gesprochen: Lebensgeschichte, Live-Bilder, Fußballspiele, Interviews. Nach dem Sturm auf das Casa Rosada lief dann die Verabschiedung geregelter ab und man stelle sich fein mit Maske in die Schlange – das ist sowieso etwas, das Argentinier gerne und ohne Murren machen: Schlangestehen, vor dem Bus, vor dem Supermarkt, überall. Also alles friedlich bis bekannt gegeben wurde, dass um 16 Uhr Schluss ist, da sich die Familie noch in Ruhe verabschieden möchte. Zu dieser Zeit standen die Menschen aber noch einige Blocks weit an und waren verzweifelt, als die Polizei eine Sperre baute und somit signalisierte, wer noch darf und wer nicht. Daraufhin flogen Pflastersteine von der einen und Gummigeschosse von der anderen Seite und Johanna war froh, sich das Ganze nicht aus nächster Nähe angeschaut zu haben. Mit großem Polizeiaufgebot wurde der Sarg in Kolonne im Eiltempo durch menschengesäumten Straßen von BA geschleust.
https://www.youtube.com/watch?v=X3yMxTXmGGE

Und dann?! Nach dem Begräbnis war der Zauber eigentlich auch schon wieder vorbei. Die Berichterstattung flaute peu à peu ab, hier und da tauchten neue Wandmalereien auf, aber das war’s dann auch. Zwei Tage Ausnahmezustand. Argentinier bestätigten mir, dass es keinen lebenden Argentinier mehr gäbe, für den so ein Zinober gemacht werden würde. Da hab ich mich gefragt, wie oder vielmehr für wen das denn in Deutschland stattfinden würde und mir fiel niemand ein. Schon allein die Namensgebung ist anders, denn selbst der vielleicht größte deutsche Fußballspieler ist nur Kaiser und nicht Gott (D10S – Maradona trug die Rückennummer 10).


Dieser ganze Trubel und die eskalierenden Momente haben auch für viel Unmut gesorgt. Vor allem bei Menschen aus dem Bildungsbereich, denn ihr müsst wissen, dass die Schulen bis zu den Ferien Mitte Dezember nicht wieder regulär für Unterricht geöffnet werden konnten. Sie waren also von Ende März bis Mitte Dezember geschlossen – fast 9 Monate!! Glücklicherweise hat der Online-Unterricht in meiner Schule gut funktioniert, weil die Familien unserer Schüler die finanziellen Mittel besitzen, Tablets, Handys oder Laptops zu kaufen, mit denen die Schüler Zugriff auf den Unterricht haben. Beim Großteil der argentinischen Schulen sah das aber ganz anders aus. Da kann man wirklich von einem verlorenen Jahr sprechen. Wohingegen Fitnessstudios oder Sportvereine ihre Türen wieder öffnen durften, blieben die der Schulen zu. In meinen Augen und in den Augen Vieler ein riesengroßes Versäumnis. Da lief eindeutig etwas in der Priorisierung schief und das war auch wieder deutlich bei Maradonas Verabschiedung zu spüren. Die folgenden Zeilen kursierten daraufhin in den sozialen Netzwerken und beschreiben das Gefühl vieler Menschen ziemlich gut:

“Sinceramente nunca pensé en agradecerte algo que no tenga que ver con el fútbol, pero hoy siento que debo hacerlo. Gracias Diego por mostrarnos lo que somos, por desnudar el gobierno que tenemos. Por dejarnos en claro que tenemos un país que cuando nuestros abuelos agonizan y no tienen acceso a una ambulancia, vos tuviste 11 paradas en tu casa por horas. Es un país donde la policía no deje circular a una nena con cáncer y su padre la tuvo que alzar en brazos 5km, mientras vos tuviste cientos de policías haciendo una caravana para llevarte a Casa Rosada. Un país donde miles de personas (mi incluyo) no pudieron despedir ni velar a un ser querido pero vos tuviste una despedida multitudinaria y descontrolada. Si, es el mismo país donde este presidente nos tuvo encerrados 9 meses e hizo quebrar miles de empresas, donde muchos quedaron varados sin poder llegar a su hogar y donde tantos otros murieron en soledad, porque había una pandemia mortal. Gracias Diego por permitir que se muestre a flor de piel estas 2 Argentinas: una para famosos y políticos donde todo vale y otra para los ciudadanos comunes que tenemos que cumplir las reglas de aquellos que no las cumplen.”

Das habt ihr alles verstanden, oder? Eine Übersetzung ist also nicht nötig… Für diejenigen wenigen unter euch, bei denen das Spanisch vielleicht etwas eingerostet ist, alles nochmal auf Deutsch 😉

„Offen gestanden habe ich nie gedacht, dass ich dir für etwas danken würde, das nichts mit Fußball zu tun hat, aber heute fühle ich, dass ich es tun sollte. Danke Diego, dass du uns zeigst, wer wir sind, dass du die Regierung, die wir haben, entblößt. Dafür dass du uns klar aufzeigst, dass wir ein Land haben, in dem unsere Großeltern, wenn sie im Sterben liegen, keinen Zugang zu einem Rettungswagen haben, du aber stundenlang 11 Rettungswägen parat stehen hattest. Ein Land, das es einem krebskranken Mädchen nicht erlaubt sich mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortzubewegen und ihr Vater sie deshalb für 5km tragen musste, während dich eine Karawane von hunderten Polizisten ins Casa Rosada eskortierte. Ein Land, in dem Tausende (mich eingeschlossen) sich nicht von einem geliebten Menschen verabschieden oder bei ihm Totenwache halten durften, aber du eine Massenverabschiedung außer Kontrolle hattest. Ja, es ist das gleiche Land, in dem uns dieser Präsident für 9 Monate eingesperrt hielt und tausende Unternehmen Bankrott gingen, in dem Viele gestrandet waren, die ihre Heimat nicht erreichen konnten und in dem so viele Menschen in Einsamkeit starben, weil es eine tödliche Pandemie gab. Danke Diego, dass du es möglich gemacht hast, dass sich diese zwei Versionen Argentiniens zeigen: eine für Prominente und Politiker, in der alles möglich ist, und eine andere für die normalen Bürger, die die Vorschriften der Menschen erfüllen müssen, die sie nicht erfüllen.“

(das durch die Hand Gottes erzielte Tor wird oft ein bisschen unter den Teppich gekehrt, aber das Jahrhunderttor, das Maradona im gleichen Spiel – 1986 gegen England; übrigens ein sehr aufgeladenes Spiel durch den Konflikt der Falklandinseln – schoss, ist in aller Munde)

„Geschlemmt wird immer und überall“

Wieder einmal melde ich mich aus der Millionenstadt Buenos Aires, um über ein Thema zu sprechen, das mich hier tagtäglich begleitet. Wie der Titel schon erkennen lässt, geht es heute um die Kulinarik. Da ich aufgrund der Pandemie noch nicht so viele authentische Erfahrungen in Restaurants sammeln konnte, beschäftigt sich dieser Blogeintrag eher mit der Beschaffung von Lebensmittel des allgemeinen Gebrauchs. Vor nicht allzu langer Zeit ist in der Facebook Gruppe „Deutsche in Argentinien“ (ja, ich bin dort Mitglied und ja, in der Gruppe wird sich viel über das manchmal unorganisierte Leben in Argentinien beschwert, aber es gibt tatsächlich auch sehr viele nützliche Informationen – also verurteilt mich bitte nicht) eine Frage aufgetaucht: Eine Familie, die bald nach Argentinien zieht, wollte wissen, welche Lebensmittel man hier nicht kaufen kann und was sie folglich aus Deutschland mitbringen müssen. Viele Antworten wurden gepostet. Von – überspitzt gesagt – „hier gibt’s gar nix“ bis hin zu „du kannst leben wie im Schlaraffenland“. Daraufhin habe ich im Oberstübchen gekramt und mir überlegt, wie das eigentlich bei mir war und welche Unterschiede mir zu Deutschland auffallen – aber lest selbst!

Bestimmte Lebensmittel zu finden, war für mich in den ersten Monaten meiner Zeit in Buenos Aires wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen, denn man findet nicht überall alles. Wenn man aber weiß, wo man was kriegt, ist das kein Problem und die Lebensmittelauswahl kann auch sehr bereichernd sein. Es gibt viele verschiedene Typen an Geschäften, die ich euch hier ein bisschen vorstellen möchte.

Verdulerias – mein Mekka

Dort kann man hauptsächlich Obst und Gemüse kaufen – alles offen und wenig in Plastik verpackt – herrlich. Die Auswahl ist riesig und wenn möglich regional und saisonal. Auch sämtliche Kräuter erhält man dort in der gewünschten individuellen Menge – quasi stielweise. Außerdem haben sie meistens auch ein Angebot an Hülsenfrüchten, Reis, Chips und Klopapier (allerdings nur einlagig!!!)). Verdulerias werden in sehr vielen Fällen von Venezolanern geführt. Sie sind zwar fast überall zu finden, dennoch kann man bald Unterschiede in der Behandlung der Ware, aber auch in der Behandlung der Kunden feststellen.

Chinos – der Name ist Programm

Diese Art von Lebensmittelladen stellt etwas Einzigartiges dar, denn die anderen Geschäfte aus dieser Liste kann man in irgendeiner Form auch in anderen südamerikanischen Ländern finden, aber chinos sind typisch argentinisch.

Chino ist Spanisch und bedeutet – wie ihr euch wahrscheinlich bereits gedacht habt – chinesisch oder Chinese. Tatsächlich werden diese Läden ausschließlich von Chinesen geführt – ich habe zumindest bisher noch keinen chino ohne chino gesehen. Es gibt sie, wie verdulerias, an jeder Ecke. Sie sind meistens eher klein (etwa 3-5 Gänge à 7m) und der Eingang ist eigentlich immer wenig einladend.

Kaufen kann man alle Lebensmittel des täglichen Bedarfs, Reinigungs- und Hygieneartikel, Süßigkeiten und alkoholische Getränke. Am Anfang war der Einkauf im chino schwierig, weil ich die Zahlen auf Spanisch noch nicht so gut verstand und die Verkäufer meistens mit starkem Akzent Spanisch sprachen. Somit war das Verstehen des Preises immer eine Herausforderung. Erschwert wurde das Ganze dann ab März durch das Tragen der barbijos (Mund-Nasen-Schutz) und einer sehr eigenwilligen Konstruktion: um den Kassenbereich wurde von oben bis unten Plastikfolie gewickelt, sodass auch der Blick auf die Anzeige des Kaufpreises verdeckt war. Nur durch ein kleines Fenster konnte man die Ware auflegen und bezahlen. Nix verstanden, nix gesehen – bezahlt hab ich dann nach Gefühl!

Expresssupermärkte

Neben chinos gibt es auch die etwas schickere Variante des Expresssupermarktes, z. B. Carrefour oder Día. Sie haben in etwa das gleiche Sortiment wie chinos, sind aber ein wenig freundlicher und moderner gestaltet.

Kioskos – wenn alle Stricke reißen

Das deutsche Pendant hierzu wäre wahrscheinlich der Späti. In vielen Fällen kann man dort rund um die Uhr Zigaretten, Alkohol, Süßkram, Knabberspaß und Eis kaufen. Bisher habe ich noch keinen freundlichen Verkäufer im Kisko getroffen – alles Grantler!

Dieteticas – klein, aber oho

Neben verdulerias sind dieteticas meine Hauptanlaufstelle für Lebensmittel. Dort findet man die verschiedensten Sorten an Reis, Nudeln, Nüssen, pflanzlicher Milch, Vollkornbrot, Gewürzen oder Ersatz- oder Bioprodukten. Wenn man also etwas sucht, das ein wenig aus der Reihe fällt, findet man es häufig dort. Wer schon dachte, dass chinos klein wären, der war noch nie in einem dietetica! Vollgestopft bis oben hin, ist die Verkaufsfläche manchmal nur 10qm groß. Auch diese Geschäfte sind fast überall zu finden.

Heladerias – dolce vita in Buenos Aires

Willst du dir in Buenos Aires einen Eisbecher zu Hause gönnen, kaufst du dieses Eis nicht im Tiefkühlregal des Supermarkts, sondern du gehst in eine Eisdiele. Dort hast du die himmlische Auswahl zwischen unzähligen Sorten. Je nach Wunsch, kann Eis im ¼, ½ oder 1 Literbehälter gekauft werden. Auch lassen sich mehrere Sorten in einen Styroporbehälter packen. Richtige Eisbecher, wie Erdbeerbecher oder Wundertüten, kann man sich allerdings nicht bestellen. Eisdielen gibt es deshalb so häufig, weil Argentinien ein beliebtes Einwanderungsland für Italien war.

Mein erster Besuch in einer Eisdiele war ein mittelprächtiger Erfolg. Aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse habe ich mir zunächst schon mal eine viel zu große Waffel (cucurucho) mit 3 gigantisch großen Kugeln bestellt. Danach bin ich mit meinem Turm an Eiskugeln auf die Straße – bei 35 Grad! (Vorher fand ich es noch total verwunderlich, dass die anderen Gäste ihr Eis in der durch die Klimaanlage total runtergekühlten und wenig einladenden Eisdiele wegschlabbern…) Als ich dann bei brütender Hitze draußen stand und mit dem Schlecken nicht mehr hinterherkam, wusste ich auch warum. Es war vermutlich ein Bild für Götter! Das Eis an sich war und ist aber immer noch ein Hochgenuss!

Panaderias und confiteria – Zuckerschock garantiert

Auch Bäckereien gibt es selbstverständlich, allerdings führen sie ein extrem anderes Sortiment, als ich es aus Deutschland gewohnt war. Semmeln/Brötchen und Vollkornbrot habe ich bisher noch nie in einer normalen panaderia gesehen. Es gibt nur dieses etwas zähe und schwammartige Weißbrot, das die Form von Baguette hat, aber in etwa 25cm lange Stücke geschnitten wird – aus welchem Grund auch immer… Hauptverkaufsschlager in der panaderia sind facturas – kleine, etwa handtellergroße Gebäckteilchen. Diese gibt es in den unterschiedlichsten Varianten, aber alle basieren auf einer Art Blätterteig. Es gibt sie in der Form von medialunas oder gefüllt mir Creme, dulce de leche oder Marmelade. Facturas werden gern zum Mate oder Kaffee gegessen und sollen mit ihrer Übersüße die Bitterkeit des Getränks etwas abmildern.

Außerdem gibt es confiterias, in denen fantastisch aussehende Torten in den verschiedensten Ausführungen verkauft werden.

Damit ihr euch vorstellen könnt wie verbreitet diese kleinen Geschäfte sind, hier eine Übersicht. Bei mir befinden sich im Radius von 5 Blocks (1 Block = 100m) 6 verdulerias, 4 dieteticas, 8 chinos, 4 Expresssupermärkte, 3 panaderias und eine Eisdiele.

Carnicerias und fiambrerias

Beide Geschäfte sucht man auf, wenn für asado eingekauft wird. In carnicerias kauft man carne (Fleisch) oder salchichas (Würstchen). Die Auswahl ist sehr groß, jedoch ist der Blick vom Schaufenster aus nicht immer der appetitanregendste. Auch hier muss man vermutlich einfach ein paar Läden durchprobieren, bevor man den richtigen findet.

In fiambrerias kauft man dann den Käse- und Wurstaufschnitt. Das wird gerne vorm asado als aperitivo gegessen. Die Wursttheke ist nicht so umfangreich, wie in einer Metzgerei in Deutschland, jedoch erhält man in einer fiambreria alles, was man für den Aperitif braucht – vom Essiggurkerl über den Salamiaufschnitt bis hin zum Wein. In manchen Fällen findet sich in diesen Feinkostläden auch dubiose Feinkost, wie ein gutes Oettinger aus der Dose!

Große Supermärkte – das rare Gut

Selbstverständlich gibt es auch große Supermärkte, die allerdings in meiner Gegend eher selten auftauchen, da ich in einem sehr alten Teil von Buenos Aires wohne und ein großer Supermarkt natürlich viel Platz braucht, den es nun mal dort in den schmalen Gässchen nicht gibt. Ich liebe den Besuch solcher Supermärkte. Nicht weil das Angebot so groß ist, sondern weil die zum Verkauf stehenden Lebensmittel viel mit Kultur und Tradition des Landes zu tun haben und weil ich gern ummanand strawanz! 

Wie ihr seht, ist die Liste lang! Wenn man ein Produkt tatsächlich überhaupt nicht findet, ist die letzte Hoffnung mercadolibre. Das ist die südamerikanische Version von Amazon, bei der man auch importierte Produkte kaufen kann, die man in den aufgelisteten Läden nicht kriegt.

Um auf das Zitat zu Beginn zurückzukommen. Das war die Reaktion eines Freundes namens Hichael Meintel (Name durch die Redaktion geändert) auf dieses Foto:

In einem großen Supermarkt in BA habe ich tatsächlich das Schlemmertöpfchen der Marke Kühne gefunden. Man hätte vielleicht eher gedacht, dass Kraut der deutsche Exportschlager wäre, aber es sind Rote Bete Kugeln mit Rotweinessig verfeinert. Wer hätte das gedacht?! 🙂

Zum Ende habe ich noch etwas aus der Rubrik VERWIRREND UND ZUCKERSÜSS.

Wie schon mal erwähnt, ist der Kontakt zwischen Schülern und Lehrern viel enger als in Deutschland. Man verabschiedet sich zum Beispiel normalerweise mit Küsschen. Richtig gelesen! Wenn der Schultag endet, stehen alle Schüler der Klasse hintereinander aufgereiht am Schuleingang (es ist extrem laut – schon nach 2 Wochen hatte ich mir Oropax besorgt) und erst wenn sie Eltern oder Großeltern sehen, dürfen sie gehen. Vorher drücken sie mir allerdings noch einen Abschiedsschmatzer auf die Backe.

Die Schüler nennen mich hier auch nicht Frau Hausknecht. Zu Beginn (als mein Spanisch noch miserabelst war) haben sie mich immer seño genannt. Was ich verstanden habe war aber señor mit R am Ende und ich dachte mir…ich bin doch kein Mann. Wieso nennen sie mich so??! Erst viel später habe ich erfahren, dass seño ohne R einfach die Anrede für weibliche Lehrkräfte ist. Das männliche Äquivalent ist profe. Seño und profe werden mit und ohne Namen verwendet. Also einfach seño oder seño Johanna. Für die Deutschlehrerinnen sollen die Schüler Frau + den Vornamen sagen: Frau Johanna (gesprochen: Frrrrau Schohaana/Jochaana) – super komisch, oder?! Für mich zumindest! Also habe ich ihnen gesagt, sie sollen mich einfach Johanna nennen. Nun ja… hm…das kam wohl nicht bei allen an… Also sagen manche Schüler zu mir Johanna, andere sagen Frau Johanna, wiederum andere sagen seño und die letzten Haaamdaucher sagen einfach nur Frau, wenn sie etwas fragen oder sagen wollen, weil man seño ja auch ohne Namen verwenden kann!

Sie schreiben mir auch immer süße Nachrichten, über die ich oft schmunzeln muss. Hier ein paar Beispiele:

„Gute besserung Frau Johanna! :* :*“ „Uh seño cuidate mucho“ (Uh Frau, schone dich sehr) „que se mejore Frau Johanna :)“

„Danke frau Johanna!!!! Küssen“
„Buenas tardes seño Johanna, me alegro que te haya gustado mi trabajo. Gracias por enseñarme. Besos“ (… Danke, dass du mich unterrichtest.) „Hallo Johannna wie gehts dir ?? Te envió el trabajo. Küssen Luchy.“ „Frau ich habe Frage“

Und ja…sie kennen auch den Unterschied zwischen küssen und Küsschen noch nicht so ganz. Das behandeln wir dann eben im kommenden Schuljahr! 🙂

Ich schicke euch in diesem Sinn viele KÜSSSEN. Stay tuned – der nächste Blogeintrag dreht sich um die Diego-Mania! :*

Wann Schweigen Gold ist

In jedem Land gibt es Themen, die unterschiedliche Perspektiven und Meinungen zulassen und eventuell zum Aufeinanderprallen dieser führen können. Dieser Blogeintrag wird sich ein paar dieser Themen widmen, die man in Unterhaltungen mit Argentiniern vielleicht eher umschifft, um verbalen Auseinandersetzungen fern zu bleiben. 🙂 Selbstverständlich solltet ihr das Folgende mit einem zwinkerndem Auge lesen und es handelt sich auch hier wieder nur um meine eigene subjektive Einschätzung und meine beschränkten Erfahrungen innerhalb der letzten 8 Monate. Ich berichte lediglich von meinen persönlichen Erlebnissen und möchte nicht generalisieren oder an den Pranger stellen. Keep that in mind when reading. 🙂

Aber im Vorfeld ein kleines Update zur aktuellen Lage. Die Infektions- und Todeszahlen steigen leider weiterhin vor allem im Hotspot der Pandemie, also in der Stadt und Provinz Buenos Aires, aber auch im Landesinneren kommt es immer wieder zu Neuausbrüchen. Mal geht’s ein bisschen runter und mal geht’s ein bisschen rauf – ein Höhepunkt ist noch nicht in Sicht. Heute (11/09) zählt Argentinien 524.198 Infizierte und 10.907 aufgrund des Virus Verstorbene. Wir befinden uns offiziell noch in der Ausgangssperre, aber da schon so viel gelockert wurde, fühlt es sich gar nicht mehr so an. Seit einer Woche dürfen Restaurants und Cafés mit Außenbereich wieder Tische und Stühle aufstellen und bewirten und ich kann euch sagen, dass die Argentinier das sehr genießen. Sie sind knallhart – egal, wie schlecht das Wetter ist, sie nutzen die neue Möglichkeit wieder in Restaurants oder Cafés zu gehen und sitzen draußen. Diese Einstellung gefällt mir!

Man kann sich frei innerhalb der Stadt bewegen und auch tagsüber Sport treiben. Für öffentliche Verkehrsmittel und die Überschreitung der Stadtgrenzen muss aber ein Passierschein vorgezeigt werden. Doch auch dort nehmen die Kontrollen ab. Bisher wurde ich erst einmal kontrolliert und zwar beim Abfahren von der Autobahn. Durch das Zauberwort Deutsche Botschaft habe ich so einen Passierschein und es war kein Problem. Die Polizistin fragte mich nur, ob ich Johanna bin. Den Nachnamen würde sie sich sparen, weil er zu kompliziert sei. 🙂

Ich erkunde derzeit sämtliche Ecken mit dem Fahrrad, denn wir haben seit mehreren Wochen herrlichstes Winterwetter mit Sonnenschein bei 13-19 Grad.

Da Buenos Aires sehr flach ist, kann man schön mit dem Fahrrad durch die Stadt gondeln. Selbstverständlich mit Helm und einem wachsamen Auge auf den Verkehr, aber die vielen neuerschaffenen, kilometerlangen Fahrradwege machen Buenos Aires mehr und mehr zur Fahrradstadt. Die größte Herausforderung dabei ist tatsächlich nur, das Fahrrad mithilfe des 1,5×1,5m großen Fahrstuhles im Haus selbst zu tranportieren.

la costanera

Bicycle, bicycle, bicycle
I want to ride my bicycle, bicycle, bicycle
I want to ride my bicycle
I want to ride my bike
I want to ride my bicycle
I want to ride my bicycle, races are coming your way

So forget all your duties, oh yeah
Fat bottomed girls, they’ll be riding today
So look out for those beauties, oh yeah

-Queen-

Aber nun zum eigentlichen Thema: welche Sujets haben Fettnäpfchenpotenzial?

FUßBALL

Eines dieser Themen ist der Fußball. Vor allem als deutscher Staatsbürger. Dass Argentinien eine fußballverrückte Nation ist, stellt kein Geheimnis dar und mit zwei gewonnen Weltmeistertiteln im Herrenfußball kann man diese Hingabe auch vollkommen verstehen. Generell ist es aber ein schwieriges Thema, denn man weiß nie, welche Einstellung der Gesprächspartner hat. Schon Buenos Aires an sich ist sehr gespalten – in Boca Juniors (blau/gelb) und River Plate (rot/weiß) Fans. Teilweise gehen diese Rivalitäten so weit, dass man das Stadtviertel des gegnerischen Teams nicht betritt! Bei meiner Tour durch den bunten Stadtteil La Boca, der normalerweise mit Menschenmassen gefüllt ist, war natürlich ein Abstecher zur Bombonera – dem Stadion der Boca Juniors – obligatorisch.

Bis zum heutigen Datum ist es in Argentinien noch nicht erlaubt, dass Fußballspiele in irgendeiner Weise stattfinden dürfen – inklusive Geisterspielen. (Außerdem sind etliche Spieler von Boca und River positiv auf Covid 19 getestet worden.) Das Sportfernsehen konnte also keine aktuellen Spiele zeigen. Nachdem dann alle glorreichen, nationalen sowie internationalen Partien der letzten Jahrzehnte (auch Rudi Völler und Co. flimmerten über den Bildschirm) gezeigt wurden und ich das Weltmeisterschaftsendspiel 2014 in Brasilien mindestens 3 Mal gesehen hatte, kam für die Argentinier endlich die Erlösung und sie hieß: La Bundesliga! Von allen Kanälen schallte es La Bundesliga hier, La Bundesliga da. Endlich erhielt das Fußballerherz wieder Nahrung in Form neuer Spiele. Dass das jetzt gerade aus Deutschland kam, wurde stillschweigend hingenommen.

Deutschland und Argentinien – keine leichte Beziehung. Der Schmerz über das verlorene Weltmeisterschaftsfinale beim Erzrivalen in Brasilien sitzt noch tief, wobei anerkannt wird, dass das Nationalteam 2014 als sehr schwer zu schlagen galt. Andere Stimmen fühlen sich aufgrund des nicht gegebenen Elfmeters für die Albiceleste um den Titel betrogen. Am besten fährt man meiner Meinung nach, wenn man die Jahre 2014 und 1990 nicht im Zusamenhang mit dem weltweit beliebten Rasensport erwähnt.

MARADONA und MESSI

In diesem Atemzug kommen wir auch gleich zum zweiten Thema, dem man sich nur mit Bedacht nähern sollte: Diego Armando Maradona. Gefeiert und verehrt, aber auch geächtet und verspottet. Er stellt eine sehr umstrittene Persönlichkeit in Argentinien dar. 1960 in Lanús – also einen Steinwurf von Buenos Aires entfernt – geboren, avancierte er bei den Boca Juniors zum Star bis seine Karriere in Neapel zum Höhepunkt gelangte. Und nach einem solchen Höhepunkt geht es ja meistens abwärts. Zu viel, zu schneller Ruhm, Verwicklungen mit der Mafia, Drogen und Parties gingen an Diego nicht spurlos vorbei und sorgten für seinen rasanten und spektakulären Abstieg. In den argentinischen Medien macht er nur noch selten von sich hören und wenn, dann mit seltsamen Interviews oder wirren Äußerungen. Er verkörpert Ruhm und Schmach zugleich. Viele Argentinier verehren ihn aufgrund seiner Authentizität und weil er kein Blatt vor den Mund nimmt. Andere finden seine Exzesse nur beschämend. Sprichst du mit einem Argentinier, weißt du daher nie, welche Seite von Maradona für ihn wichtiger ist. Auch nur die Hand Gottes zu erwähnen, kann manchmal nicht gut ankommen.

Lionel Messi hingehen ist der fußballspielende Mesias. Keine familiären Skandale, keine Drogengeschichten, keine überheblichen Charakterzüge. Aber auch das oft zu glatte Image Messis wird von treuen Maradona Fans kritisiert. Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, welche mediale Welle sein Abschied-oder-nicht-Abschied aus Barca auslöste! 24/7 ging es auch in den seriösesten Nachrichtensendern nur um dieses Thema. Aus allen Ecken des Landes wurden Möchtegern-Experten, Verwandte 17. Grades und Kindergartenfreunde befragt und gaben fleißig Auskunft. Sicher hat sich irgendwann auch Maradona kompetent dazu geäußert. 🙂

EVITA und JUAN DOMINGO PERÓN

Nicht umsonst steht Evita auf dem bei Touristen beliebten Balkon in La Boca. Auch sie und ihr Gatte zählen wie Maradona zu nicht unproblematischen Persönlichkeiten. Ganz vereinfacht gesagt (wirklich, sehr vereinfacht – man nehme es mir bitte nicht übel) spaltet sich die politische Landschaft in Argentinien in zwei große Gruppen: Peronisten und Nicht-Peronisten. Wobei die von Perón (argentinischer Präsident: 1946-1955, 1973-1974), geprägte politische Strömung keine genaue Ausrichtung hat und auch keine Partei ist. Es wird gesagt, dass ein Peronist links sagt und rechts (politisch gesehen) geht und andersrum. Es kam auch schon vor, dass zwei Peronisten gegeneinander kandidierten, der eine politisch links, der andere politisch rechts. Alles geht auf Juan Domingo Perón und seine zweite Ehefrau María Eva Duarte de Perón zurück. Vielleicht überstrahlt Evita sogar die Popularität ihres Mannes. Ob man will oder nicht, man kommt an ihr nicht vorbei. Sie ziert etliche Wandgemälde, vorder- und rückseitig ein hohes Staatsgebäude oder Reklametafeln und auch den 100-Peso-Schein:

Heutzutage würde man vermutlich von einem politischen Power-Couple sprechen. Sie haben das Land umgekrempelt und mit vielen Reformen vor allem der Arbeiterschicht auf die Beine geholfen. Allerdings waren sie aber auch für die Aufnahme von flüchtigen Nazis nach dem Untergang des Dritten Reichs verantwortlich. Wie bei vielen Personen des öffentlichen und vor allem des politischen Lebens, kann also ihr Erbe kontrovers diskutiert werden. Und genau das macht es schwierig: in einem Gespräch kann man auf einen Verehrer oder auf einen Verächter der Peróns stoßen. Auch über Tagespolitik zu sprechen ist wenig ratsam, weil man sich ja grundsätzlich schon mal viel zu wenig damit auskennt. Mir kommt es so vor, als gäbe es politisch gesehen sehr viel schwarz-weiß-Denken. Was die eine Regierung in ihrer Legislaturperiode auf den Weg gebracht hat, schafft die folgende, andersgesinnte Regierung dann wieder ab. Mir wurde schon von Argentiniern erzählt, dass durch dieses Hin- und Her ein grundsätzliches Vorankommen schwer möglich ist und es Argentinien deshalb auch so schwer fällt, wieder auf die Beine zu kommen.

Nichtsdestotrotz (welch‘ wunderschöne Wörter die deutsche Sprache doch hat!) wird Evita vor allem von Touristen verehrt. Ihr Mausoleum ist eine Pilgerstätte im Friedhof Recoleta, in dem vor allem hochrangige Militärs, Geistliche und Politiker (also die Groußn und Gschaftign) ihre letzte Ruhe fanden.

Von letzter Ruhe kann man in Evitas Fall vor allem deshalb sprechen, da ihr Leichnam nach ihrem Tod Etliches durchmachen musste. Sie starb mit nur 33 Jahren an Krebs. Danach verschwand ihr einbalsamierter Leichnam spurlos, geriet wohl in die Hände ihrer Kontrahenten und wurde geschändet. Nachdem sie wieder bei Juan Perón im Haus aufgebahrt war, verbrachte seine neue Ehefrau (Isabel Martínez de Perón) mutmaßlich einige Nächte neben Evitas Körper, damit ihr Geist in sie hineinfährt, denn Isabel war lange nicht so populär wie Evita, wollte aber ihre großen Fußstapfen füllen.

So, genug zu Themen, die man in Gesprächen vermeiden sollte. Ich möchte noch kurz über etwas sprechen, das für mich sehr kurios ist: FEIERTAGE.

Klar, Feiertage gibt es bei uns auch, allerdings können wir im Jahr 2020 bereits sagen, auf welche Tage die Feiertage im Jahr 2025 fallen. Das geht in Argentinien nicht so einfach. Wieso? Ja, gute Frage. Ich habe am Anfang des Schuljahres gar nicht schlecht gestaunt, als quasi niemand ganz sicher wusste, wann wir frei haben und wann nicht… Zum einen hängen ein paar Feiertage von der Partei ab, die gerade an der Regierung ist und man wusste noch nicht, ob in diesem Jahr wieder peronistische Feiertage (die aktuelle Regierung ist peronistisch) eingeführt werden oder nicht. Zum anderen ist man hier flexibel, was die Verschiebung der Feiertage angeht. Fällt ein Feiertage auf ein Wochenende, kann er schon mal auf einen Freitag oder Montag gelegt werden. Brückentage bei Feiertagen am Dienstag oder Donnerstag gibt es sowieso am laufenden Band. Wenn ich mich richtig erinnere, hatte ich dieses Jahr schon 5 Brückentage. Und manchmal ist es so, dass ein Feiertage so mir nichts dir nichts stattfindet (ein Jahr so und im nächsten Jahr anders). So geschehen letzte Woche. Gestern war nämlich Tag von Lomas. So heißt der Bezirk, in dem meine Schule ist. Letzte Woche kam dann eine Mail: „Es wurde angekündigt, dass der 10.09. auch frei ist.“. In keinster Weise möchte ich mich darüber beschweren. Warum auch?! Ich hab dann ja frei. 🙂 Der Kontrast zu dem, was ich aus Deutschland kenne, ist mir nur stark aufgefallen und an ein paar Sachen muss ich mich einfach noch gewöhnen.

Wieso erzähle ich euch das alles? Ich tue das, weil auch heute ein Feiertag ist: der Tag des Lehrers (es gibt auch den Tag der SekretärIn, der BibliothekarIn o. Ä.). Natürlich arbeiten wir heute nicht :). Feiertage werden grundsätzlich mit allem Brimborium zelebriert. Dann explodieren WhatsApp Gruppen mit gegenseitigen Glückwünschen, Videos werden gedreht und verschickt und heute am Lehrertag erhalten die (braven ;)) Lehrer Geschenke der Schüler. Da das in Coronazeiten ein bisschen aufwändiger ist als im Schulgebäude, haben sich die Eltern dazu entschieden, die Geschenke an unsere Privatadressen zu schicken. Und so kam es, dass es heute bei mir klingelte und ein Geschenk für mich ankam:

…liebevoll verpackt, mit vielen Süßigkeiten und lieben Botschaften gefüllt. Herzerwärmend. Ich war sehr gerührt. Auch trotz großer derzeitiger Distanz spürt man die Zuneigung der Schüler stark und an diesem Tag umso mehr. Schade, dass wir das nicht auch in Deutschland feiern. Über den Unterschied zwischen Deutschland und Argentinien bezüglich der Nähe zu Schülern, werde ich in einem anderen Blogeintrag berichten.

So, wieder einmal genug geschnackt! Jetzt noch ein kleines Zuckerl der letzten Woche (Ohren auf!):

Egal, wo du bist, wenn Modern Talking im Radio des Taxis läuft und dein Taxifahrer Juan Ignacio Schuster heißt, bist du im Herzen nie weit weg von zu Hause! :*

Und am 89. Tag…

…klatscht sie immer noch.

Hallo lieber Leser! Schön, dass du da bist. Ich kann dir nicht versprechen, dass es ein interessanter Blogeintrag wird – denn wenn man ehrlich ist, passiert in meinem Leben gerade nicht sehr viel – doch ich werde mir größte Mühe geben! 🙂

Ich bin genau seit 155 Tagen in Argentinien (Stand. 16.06.) und seit 89 Tagen herrscht Ausgangssperre. Ergo befinde ich mich gerade schon 23 länger in Ausgangssperre als vorher in „Freiheit“. Aber was bedeutet das genau? Es bedeutet, dass wir seit 89 das Haus nur für Einkäufe, Arztbesuche oder Arbeit verlassen dürfen (die letzten beiden nur mit Bestätigung vom Arzt oder Passierschein der Regierung). Bis letzten Montag durfte man keinen Sport draußen machen. Man darf nicht spazieren gehen, man darf niemanden besuchen, Cafés und Restaurants sind natürlich ebenfalls für den eigentlichen Betrieb geschlossen (manche Lokalitäten sind für Abholungen geöffnet)…seit 89 Tagen. Als ich gesehen habe, dass Menschen in Deutschland auf die Straße gehen, um gegen die Maßnahmen der Regierung zu protestieren (die an keinem einzigen Tag so streng waren, wie das, was ich seit 89 Tagen erlebe), konnte ich nur mit dem Kopf schütteln. Das ist das gewohnte nicht-über-den-eigenen-Tellerrand-Hinausschauen einiger Menschen. Ich möchte mich hier allerdings gar nicht beschweren, denn ich habe mir selbst ausgesucht nicht nach Deutschland zurückzufliegen und meinen Auslandsaufenthalt in Argentinien nicht zu unterbrechen und ich bin mit meiner Entscheidung auch immer noch äußerst zufrieden, denn es geht mir gut. Ich LEBE in Argentinien, ich habe ein Dach über dem Kopf, genügend zu essen (vielleicht auch ein bisschen zu viel, wenn ich an die über Nacht plötzlich enger gewordenen Jeans denke…), genieße den warmen Herbst, führe tolle Gespräche mit Familie, Freunden und Kollegen, koche per Skype mit Freundinnen und bin mit der Arbeit mehr als beschäftigt.

Manchmal sogar ziemlich ausgepowert nach der Arbeit.

Selbstverständlich erwarte ich trotzdem sehnlichst, dass die Maßnahmen gelockert werden. Eine Lockerung hat letzte Woche schon stattgefunden: man darf von 20 – 8 Uhr wieder joggen, fahrradfahren und inline-skaten. Joggen sogar ohne Mundschutz. Das habe ich alte Laufmaus natürlich sofort genutzt. Zugegebenermaßen ist das nicht gerade die beste Zeit (wir befinden uns gerade im Herbst/Winter) für Frauen alleine in einer Großstadt joggen zu gehen, aber anscheinend sind die Porteños (wie die Bewohner von Buenos Aires auch genannt werden) ein laufaktives Volk und so sind die Straßen und die wenigen Parks, die noch geöffnet sind, voll mit Joggern.

Der Wunsch nach kompletter Freiheit ist allerdings in den letzten Wochen in weite Ferne gerückt, denn nach einem sehr moderaten Verlauf der Infektionen stieg die Zahl der Neuinfizierten in den letzten drei Wochen drastisch an, vor allem in und um Buenos Aires. Woran das liegt? Die Regierung hat urplötzlich festgestellt, dass es ja viele Armenviertel in der Hauptstadt gibt und dass ‚viele der Einwohner auch nicht so gern zum Arzt gehen, weil sie es sich nicht leisten können. Außerdem war da ja noch was mit den hygienischen Bedinungen und den Wohnverhältnissen… Ja! Die sind dort ja miserabel… Hmm, man könnte vielleicht anfangen in den sogenannten villas/barrios populares/barrios vulnerables stringent zu testen.‘ So oder so ähnlich ist der Gedankengang vielleicht abgelaufen. Das Ende der Geschichte war, dass tatsächlich viele Infizierte bisher unbeachtet in den Villas vor sich hinlebten und das Virus weiterverbreiteten. In manchen Gebieten waren von mehr als 3.000 Getesteten 50% infiziert. Dabei darf man auch nicht aus den Augen verlieren, dass es ganz häufig Stromausfälle oder tagelang kein fließend Wasser gibt. Das macht es natürlich schwer den Empfehlungen der Regierung zu folgen und sich mehrmals täglich für ca. 40 Sekunden die Hände mit Wasser und Seife zu waschen…

Hier ein kleiner Einblick in die Villas, z.B. Villa Azul, Villa Itati oder Villa 31 – schnuckelig an der Stadtautobahn gelegen…

Das heißt auch: Flexibilisierung für Buenos Aires ade! Abstandhalten wird überall großgeschrieben oder großgesprayed.

Zum Beispiel auf den Gehsteigen und vor Ampeln

Während in 85% des Landes bereits der Umstieg von der Ausgangssperre zur Kontaktsperre stattfindet, ist man in der Hauptstadt leider noch weit davon entfernt.

Die meisten Infizierten in Argentinien finden sich in Buenos Aires Stadt (17.397) und Provinz, gefolgt von den Provinzen Chaco, Rio Negro und Córdoba. Landesweit beläuft sich die Zahl der Infizierten auf 30.282 und die der Verstorbenen auf 815. (Stand 15. Juni) Also entfallen derzeit mehr als die Hälfte aller aktiven Infektionen auf die Stadt Buenos Aires.

Es gibt natürlich auch Orte in Argentinien, die keine Neuinfizierten mehr melden (oder auch nie Infizierte hatten). Hier werde ich euch kurz von meinen eigenen Erfahrungen mit Tests bezüglich Corona berichten. Mitte März, als die Schule noch geöffnet war, wurde ich krank. Ich hatte starken Reizhusten. Ihr könnt euch vielleicht vorstellen, wie ängstlich ich als europäisch aussehende und stark hustende Frau zu einer Zeit betrachtet wurde, in der ein neuartiges Virus auftritt, dessen Hauptsymptome trockener Husten und Fieber sind. Da hat man im Bus/Zug sofort dreimal so viel Platz! Auf jeden Fall bin ich ins Hospital Alemán (genau dahin, wo nach dem Untergang des dritten Reiches auch viele Nazi-Ärzte unbehelligt Unterschlupf fanden – aber diesem dunklen Kapitel der Verbindungen zwischen Deutschland und Argentinien widmen wir uns zu einer anderen Zeit) gegangen zum Coronatest – das dachte ich zumindest. Nachdem ich meine Symptome geschildert hatte, wurde meine Lunge abgehört. Ich dachte, dass dann wohl die anderen Tests folgen würden, aber dem war nicht so. Das Abhören der Lunge blieb der einzige Test. Kein Abstrich, kein Fiebermessen, nada! Diagnose: Husten, kein Corona. Ich lebe also weiterhin mit der Ungewissheit, ob ich infiziert war oder nicht. 😀 Aber jetzt Schluss mit dem Schwank und weiter im Text.

Alle Bildungseinrichtungen in Argentinien wurden geschlossen. Was??? Alle??? Fast alle! Es gibt einen Ort in Argentinien, an dem die Schule nie geschlossen wurde und zwar im Argentinischen Antarktisterritorium! Sage und schreibe 14 Schüler können also im ganzen Land noch normal im Klassenzimmer unterrichtet werden. Der Rest hat Unterricht im virtuellen Klassenzimmer oder wenn’s ganz schlecht läuft gar keinen.

Vielleicht sollte man sich nicht nur die negative Konsequenz der Ausgangssperre (hier wird sogar von Quarantäne gesprochen) vor Augen halten, sondern auch mal den Fokus auf die positiven Veränderungen legen.

Eine der positivsten Auswirkungen für mich ist, dass sich mein Spanisch durch die Situation der Ausgangssperre fantastisch verbessert hat. Selbstverständlich bin ich immer noch weit von flüssigem Sprachgebrauch entfernt, aber die Hälfte der Tageszeitung verstehe ich immerhin schon. Pasito a pasito! Was sich in meinem Kopf dann immer abspielt, fasst dieser Satz treffend zusammen:

El Moment when you commence a pensar

en vier languages au mismo Zeit.

El quilombo total! Bildlich gesprochen begibt man sich als Fremdsprachenlerner in ein Sprachbad, wenn man in das Land der Fremdsprache in den Urlaub fährt oder dort lebt. Um bei bildlicher Sprache zu bleiben, handelt sich sich bei mir eher um einen sprudelnden Whirlpool als um ein ruhiges, entspannendes Bad. Ich wurde sozusagen gezwungen flugs Spanisch zu lernen: wern oder sterm war die Devise! Zum einen durch virtuelle Meetings mit Schulleitung und Kollegen, in denen es um die Organisation der virtuellen Klassenzimmer geht. Die ersten zehn Minuten des Meetings wird vielleicht noch darauf Rücksicht genommen, dass ich kein Muttersprachler bin, aber danach ist das vergessen und das argentinische Temperament wird sprachlich ausgepackt. Wenn dann noch eine schlechte Internetverbindung dazukommt und alle anfangen gleichzeitig zu quatschen, bin ich ganz schön am rudern! Zum anderen musste ich auch meinen Deutschunterricht mit den Fünftklässlern umstellen, deren Deutschkenntnisse ja noch am Anfang stehen. Was ich im realen Klassenzimmer durch Körpersprache, Bewegung im Raum oder an der Tafel im Handumdrehen erklären konnte, musste ich anders kompensieren und der effizienteste Weg war das auf Spanisch zu tun. Letzte Woche stand ich vor einem großen Test. Es war eine virtuelle Versammlung eines Schulleitung-Eltern-Lehrer Komités, in das ich als Vertretung der Deutschfachschaft berufen wurde. Jeder sollte kurz Licht und Schatten des virtuellen Unterrichts beleuchten. Noch nie hatte ich vor so vielen Erwachsenen (ca. 16) auf Spanisch gesprochen. Nervositätsgrad 100, weil man vor den Eltern ja auch nicht wie der letzte Hinterwäldler erscheinen möchte. Glücklicherweise kam mir eine Welle von Sympathie entgegen und das, was ich ausdrücken wollte, wurde verstanden. Ufff! Noch ein wenig komplizierter gestaltet sich die Situation bei realen Gesprächen momentan. Ich freue mich ja jedes Mal auf den kleinen Tratsch mit dem Obst- und Gemüsehändler um die Ecke, aber wie soll man sich verstehen, wenn jeder einen Mundschutz vor der Schnute trägt?! Die Regierung stellt mich mit ihren Maßnahmen vor eine große Herausforderung. Aber: challenge accepted! I bin ja niad aaf da Breensubbm dahergschwumma!

Apropos Spanisch…im Herbst 2019 habe ich aktiv begonnen Spanisch zu lernen, aber mein Blog heißt seit 2009 mariposalibre – der freie Schmetterling… Was hat mich damals dazu bewogen meinem Blog einen spanischen Namen zu geben, obwohl ich in diesem Jahr als Au- Pair nach Frankreich gegangen bin?! Wieso habe ich ihn nicht papillonlibre genannt?! Vor allem weil mir bis vor Kurzem Spanisch als Sprache gar nicht gefiel! Hm…manchmal passieren Dinge (positiv oder negativ), bei denen man erst viel später erfährt, wieso sie so passiert sind und dann entfährt einem ein leises „Ahhh“ und everything falls wonderfully into place.

Doch kommen wir wieder zurück zum Anfang. Bis zum 12. Juli ist die Ausgangssperre also noch offiziell verlängert worden. Und bis dahin wird sich wohl auch das tägliche Spiel des Klatschens wiederholen. Aber für wen klatschen wir denn? Zuerst haben wir für das medizinischen Personal geklatscht (bei denen das gar nicht so gut ankam – ‚mehr Geld wäre besser‘ war die Aussage), dann haben wir für alle geklatscht, die arbeiten und sich täglich dem Risiko einer Infektion aussetzen. Und jetzt klatschen wir vermutlich für uns selbst. Wir klatschen uns gegenseitig Mut zu. Es freut uns, dass wir dieses tägliche Date um 21 Uhr am Balkon haben, uns freudig begrüßen, kurz über das Wetter plaudern und uns dann mit einem „hasta mañana“ wieder voneinander verabschieden. Wer weiß, ob ich meine Nachbarn überhaupt ohne ihre Balkongitter auf offener Straße erkennen würde! So sehr habe ich mich schon an diesen Anblick gewöhnt…

In diesem Sinne: hasta pronto und bleibt gesund! Besitos!

Liebste Grüße aus dem noch wunderbar warmen argentinischen Herbst

Zeilen zum Zeitvertreib

Na gut!!! Bevor ihr euch zuhause langweilt, schreibe ich ein paar Zeilen, die ihr lesen könnt – oder auch nicht! Dieser Blogeintrag wird anders – angepasst an die Situation, in der wir uns befinden.

Er wird folgende Fragen beantworten:

wie ist die Corona Situation in Argentinien?

wie wirkt sich das auf Johannas Leben hier aus?

was macht Johanna eigentlich in Buenos Aires?! 🙂

Die Nachrichten weltweit überschlagen sich täglich und alles, was wir hören, dreht sich nur noch um die Corona Pandemie. Soviel vorweg, ich bin noch in Buenos Aires und es geht mir gut. 🙂 Auch nach Argentinien ist das Virus geschwappt und hält uns seitdem in Atem. Ich möchte euch einen Überblick dazu mit einer timeline geben.

3. März: der erste Mensch in Argentinien wurde positiv auf Corona getestet.

7. März: Argentinien verzeichnet den ersten Toten durch das Virus.

9. März: die Schule verschickt Anweisungen zum richtigen Umgang miteinander (Punkt #1 Keine Küsschen mehr – nennt mich Pythia; Videos zum richtigen Händewaschen und Verhalten werden verschickt; überall steht  Desinfektionsmittel). In jeder Klasse erklärt eine  Lehrkraft die neuen Regeln auf Spanisch. Keine drei Minuten nachdem sie darüber gesprochen hat, dass man sich nicht mit Händen oder Gegenständen ins Gesicht fassen soll, lutschen zwei meiner Schüler schon wieder am Füller rum. Ein Satz mit X…

16. März: alle Schulen in Argentinien werden auf ungewisse Zeit geschlossen.

20. März: die Regierung verhängt eine Ausgangssperre bis zum 31. März (nur Einkäufe oder Arztbesuche werden geduldet; der Besuch von Restaurants, Cafés oder Ähnlichem wird verboten; die Polizei kontrolliert streng; nur diejenigen, die einen Passierschein (z.B. zum Arbeiten) haben, dürfen aus Buenos Aires raus oder nach Buenos Aires rein). Zu dieser Zeit waren es 158 Infizierte und 3 Tote.

29. März: die Ausgangssperre wird bis nach Ostern verlängert. Nichtbefolgung der Anweisungen wird mit hoher Geld- oder direkter Gefängnisstrafe belegt. 820 Infizierte, 20 Tote. Ein Depp rennt weiterhin draußen rum und fängt Pokemons mit dem Handy. Resultat: unsanftes Wrestling am Boden mit Polizei, Handschellen, Mundschutz und ewiger Ruhm im Internet:  https://www.eltrecetv.com.ar/noticias/un-joven-chino-fue-detenido-mientras-cazaba-pokemones-en-plena-cuarentena_127442

Karfreitag 2020:  inzwischen wurde die Ausgangssperre bis 26. April verlängert. Es wird angekündigt, dass die Maßnahmen flexibler gestaltet werden. Was das genau heißt, weiß aber niemand. 1.894 Infizierte, 79 Tote.

Die deutsche Lehrerschaft in ganz Südamerika ist gespalten. Während manche Kollegen schon nach Deutschland zurückgeflogen sind, spielen andere mit dem Gedanken zu gehen und wieder andere bleiben. Ich gehöre zu letzterer Gruppe. In der letzten Woche habe ich mir etliche Male den Kopf darüber zerbrochen, das Für und Wider abgewogen und mich eigentlich dabei nur im Kreis gedreht. Doch irgendwann muss man sich zumindest auf gewisse Zeit entscheiden, sonst bleibt das sich-im-Kreis-Drehen die einzige Tagesbeschäftigung. So höre ich zunächst auf den Rat einer lieben Freundin und halte die Füße still, denn zu viel denken stört hald auch beim glücklich sein. Drastische Veränderungen der Gegebenheiten werden selbstverständlich zu einer Neubewertung führen. In all diesem Hin und Her hat sich allerdings auch eines für mich klar gezeigt: ich habe nicht nur wunderbare Familie und Freunde Zuhause, sondern auch warmherzige Kollegen, die mich und meine Bedenken verstehen und sich um mich sorgen. Von allen Seiten wird mir Unterstützung angeboten. Dieser Rückenwind bestärkt und tut einfach gut.

Achtung: das nächste Foto aus dem Supermarkt bei mir um die Ecke könnte das grüne Neidmonster in euch erwecken!

Keine Toilettenpapierknappheit in Buenos Aires. Nur das dreilagige Elite-Toilettenpapier ist wohl derzeit sehr beliebt! 🙂


Wie wirkt sich also diese Pandemie auf mein eigenes derzeitiges Leben aus? Einerseits eher wenig: ich lebe weiterhin in Buenos Aires und unterrichte. Das Wie hat sich allerdings stark verändert.

Einkauf einmal wöchentlich. Beschränkung auf sportliche Aktivitäten, die man in der Wohnung machen kann. Ganz viel Sonne auf dem Balkon tanken. Im Kräutergarten aufräumen.

(Selbstverständlich esse ich zuerst immer alle ungesunden Einkäufe, wie die Kinderschokolade, die ich mit Pepsi runterspüle, bevor ich der Ananas überhaupt eines Blickes würdige! Man kennt sich!)

Aufgaben für die Schüler erstellen – Aufgaben korrigieren – Rückmeldung geben. Mein einziger täglicher Termin: um 21 Uhr geht jeder auf seinen Balkon und applaudiert für die Menschen, die derzeit arbeiten müssen und dem Virus stärker ausgesetzt sind. Das ist auch der Zeitpunkt, an dem sich meine Nachbarin gegenüber und ich uns zuwinken und uns beide freuen, dass wir uns sehen. Man lernt die kleinen Dinge zu schätzen! 🙂

Man könnte meinen, dass diese Situation zur geistigen Umnachtung führt, doch weit gefehlt! Ich bin meistens so mit Arbeit eingedeckt, dass ich einen relativ normalen Tagesablauf habe. Außerdem lese ich viel und habe mir eine Gitarre gekauft – zum Leidwesen aller Nachbarn! 😉

Was man sich immer vor Augen führen sollte ist, dass einem die Decke nur auf den Kopf fällt, wenn man sie sich auf den Kopf fallen lässt! Wolltet ihr schon immer mal eine weitere Fremdsprache lernen – jetzt ist der Zeitpunkt. Und Yoga oder Meditieren, das steht doch auch sicher ganz oben auf der Liste. Wie wär’s eigentlich mal damit, die Unterlagen zu ordnen oder die Mails im Postfach durchzulöschen? Und auch neue Koch- oder Backrezepte lassen sich jetzt perfekt ausprobieren. Wer noch mehr Inspiration sucht, kann den Coronamat https://www.coronamat.de/ oder mich konsultieren. Glaubt mir, ich hätte Ideen! 😀

Zwischenzeitlich gab es einen offiziellen Aufruf, dass eine Patientin dringend Blut der Blutgruppe 0 negativ braucht. Da ich vor Corona schon mit dem Gedanken gespielt hatte Blutspenden zu gehen, bot sich also jetzt die Gelegenheit dem Trott der Ausgangssperre ein bisschen zu entfliehen und ein wenig Normalität zurückzugewinnen. Ausgestattet mit einem Passierschein machte ich mich auf den Weg ins Krankenhause. Dort kämpfte ich mich mühsam durch den umfangreichen Fragebogen und schon lag ich auf der Liege in der Horizontalen und ein überaus freundlicher Pfleger kümmerte sich um mein Wohlbefinden, während sich der Blutspendebeutel füllte. Immer wieder ein herrliches Gefühl der Lebendigkeit, wenn man durch den auf dem Unterarm aufliegenden Schlauch die Wärme seines eigenen Bluts spürt.

       

Erkennbare Unterschiede zur Blutspende in Deutschland: weniger Fragen zu Reisen außerhalb des Landes auf dem Fragebogen – wesentlich kleineres Pflaster – landestypische Verköstigung danach (Medialuna ersetzt Wurstsemmel).

Ansonsten läuft alles identisch ab: Fragen beantworten – Arztgespräch- hinlegen – Nadel rein – Blut raus – Nadel raus – Pflaster drauf – aufstehen – essen – gehen. Hey!! Du denkst dir gerade, dass das gar nicht so schwierig klingt und dass das grundsätzlich vielleicht viel mehr Menschen, die eigentlich spendetauglich wären, machen könnten/sollten?! Ja, das stimmt.


Dann kommen wir auch schon zur dritten Frage auf der Agenda: was mache ich eigentlich hier?! Auf meinem Ausweis von der Botschaft steht, dass ich auf ‚misiones especiales‘ bin – auf spezieller Mission also. Und tatsächlich liegt die Botschaft da gar nicht so falsch.

Alles begann 2017 auf einer erstaunlich trägen Versammlung eines Lehrerverbands. Zwei Tage vollgepflastert mit Vorträgen, Lobpreisungen und endlosen Abstimmungen mit Referendarskollegen, bei manchen dieser Konsorten man die Berufswahl doch ein wenig hinterfragte. Mein Lichtblick: ein flammender Vortrag über das Auslandsschulwesen eines betagteren Referenten, der schon an mehreren Einsatzorten im Ausland gearbeitet hat. Dieser sympathische Mann hat eine Idee in meinen Kopf gepflanzt, die mich durch die ganze Zeit des Referendariats begleiten sollte. Doch schon beim Auswahlgespräch in Bonn gab es einen heftigen Dämpfer, denn meine Fächer sind an Deutschen Auslandsschulen nicht gefragt. Scheibenkleister! Der sympathische Mann vom Vortag hat angeboten, dass ich ihn jederzeit konsultieren könnte, was ich auch durchaus mehrmals tat. Wahrscheinlich hat er bald bereut, mir das überhaupt angeboten zu haben! 🙂

Weltweit gibt es circa 140 Deutsche Auslandsschulen (DAS) und etliche Schulen, an denen das Deutsche Sprachdiplom angeboten wird. An einer DAS sind mehrere Fächer auf Deutsch (an meiner Schule wird neben Deutsch auch Geschichte und Biologie auf Deutsch unterrichtet). Die Schüler begegnen der deutschen Sprache ab dem Kindergarten. Es handelt sich dabei um Privatschulen, die zum Teil aus Deutschland finanziert werden, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen, die im 5-Jahresrhythmus in einem aufwändigen Prozess überprüft werden.

Meine Fächer im Referendariat waren Englisch, Sport und Französisch. Hier unterrichte ich Deutsch als Fremdsprache (DaF). Genau! Ich bringe Schülern die deutsche Sprache bei. In absehbarer Zeit laufen hier also lauter kleine Oberpfälzer rum, was ich wiederum schon ein bisschen witzig finde. Über Kirwatraditionen und Watschenplattler habe ich sie schon aufgeklärt. Bald bringe ich ihnen bei zu bellen! Des wird a Gaudi!

Die Deutsche Schule Temperley – so der offizielle Name meiner Schule – besteht aus 3 Bereichen: Kindergarten – Grundschule – Gymnasium. Und so teilt sich meine Arbeit in diesen drei Bereichen auf:

Ich unterrichte in der 5. Klasse 10 Stunden DaF pro Woche in einer Klasse von 22 Schülern. Dazu muss man wissen, dass die Grundschule in Argentinien bis zur 6. Klasse geht. ⇒ ich bin Grundschullehrerin für Deutsch als Fremdsprache

In der 6. Klasse unterrichte ich mit meiner Kollegin Maria deutschsprachigen Fachunterricht (DFU) – in unserem Fall heißt das Thema Wasserwelten und der Unterricht findet auf Deutsch statt. Wir führen die Kinder durch Experimentieren mit Wasser in naturwissenschaftliches Arbeiten ein. Maria ist Biologielehrerin und sorgt somit dafür, dass der fachliche Input korrekt ist. Ich kümmere mich darum, dass wichtige Vokabeln vorentlastet werden, dass die Schüler ihren Wortschatz erweitern und dass wir sie durch Hilfestellungen, z.B. Plakate mit Satzanfängen, sprachlich unterstützen, sodass sie sich zu dem jeweiligen Thema auf Deutsch äußern können. ⇒ ich bin Grundschullehrerin für Biologie

In der 11. Klasse unterstütze ich eine argentinische Deutschlehrerin bei ihrem Unterricht (10 Schüler) und in der 12. Klasse arbeite ich zusammen mit einer anderen argentinischen Deutschlehrerin bei der Vorbereitung der Schüler auf die Abiturprüfung in Deutsch und das Deutsche Sprachdiplom. (8 Schüler) ⇒ ich bin Gymnasiallehrerin für Deutsch als Fremdsprache

Eine weitere Aufgabe hat sich sehr spontan ergeben: Im Kindergarten,  arbeite ich mit einer argentinischen Kollegin in der Fachleitung DaF. Es handelt sich dabei eher um administrative Aufgaben, Hospitationen, usw. Ich weiß nicht genau, wie ich zu diesem Job gekommen bin, aber die Arbeit macht mir sehr viel Spaß. ⇒ ich bin Fachleitung Deutsch als Fremdsprache im Kindergarten

Also kurz zusammengefasst arbeite ich als ausgebildete Gymnasiallehrerin für Englisch, Sport und Französisch jetzt im Kindergarten, in der Grundschule und am Gymnasium und unterrichte hauptsächlich Deutsch als Fremdsprache. Was das Leben doch für Veränderungen für uns bereithält!


So, jetzt habe ich euch im übertragenen Sinne ein Ohr abgekaut!

Passt auf euch auf und versucht euch so gut es geht in dieser Zeit einzuschränken. Selbstverständlich bedeutet das eine Minderung der Bewegungsfreiheit und es fällt euch bestimmt schwer, euch dahingehend zurückzunehmen. Außerdem habt ihr sicher Recht, wenn ihr sagt, dass es sich in Deutschland eben nicht um eine komplette Ausgangssperre handelt, doch jeder von euch ist ein mündiger Mensch, der die Situation informiert und kritisch einschätzen kann – ihr braucht niemanden aus der Politik, der euch jetzt dazu verdonnert zuhause zu bleiben, ihr wisst selbst, was sinnvoll ist. Derzeit seid ihr in der glücklichen Lage, euch außerhalb eurer vier Wände bewegen zu können.  Auch wenn ich immer noch davon überzeugt bin, dass diese drastischen und baldigen Maßnahmen für Argentinien notwendig waren, kann ich euch sagen, dass es nervt einen derart kleinen Bewegungsradius zu haben, es nervt niemanden von Angesicht zu Angesicht sehen zu können, es nervt sich mit Mundschutz auf der Straße zu bewegen. Seid so clever und schränkt euch lieber jetzt ein wenig mehr ein, bevor es euch so geht wie mir und ihr von der Politik eingeschränkt werdet. Wer nicht will, der wird gewollt! :DLasst es nicht so weit kommen.

Haltet die Ohren steif und handelt mit Hirn, denn das Gehirn ist keine Seife – es wird nicht weniger, wenn man es benutzt.

Das war das Wort zum Karfreitag! Ich wünsche euch allen eine frohe und besondere Osterzeit! Felices pascuas!

Besitos! :*

Buenos días Argentina!

„Der Himmel ist blau und der Rest Deines Lebens liegt vor Dir“   (https://www.youtube.com/watch?v=tZwTeyw8c8g)

… schallt es aus der Musikbox in meiner Wohnung. Beides Dinge, die sehr gut auf mein derzeitiges Leben zutreffen. Lediglich 8 Wochen bin ich in Buenos Aires und schon hat sich in gewissen Dingen Alltag eingestellt, was ich nicht als schlechtes Zeichen deute, sondern als Zeichen des Angekommenseins.

 

Aber zurück zum Anfang. Vor eineinhalb Monaten stand ich mit Tränen in den Augen am Flughafen, um in das wohl größte Abenteuer meines bisherigen Lebens aufzubrechen. Vor meiner Abreise durchlebte ich kleinere Krisen, die sich hauptsächlich um die Frage drehten, wieso ich mich aus meinem geschützten und wunderbaren Umfeld begebe und für mindestens 2 Jahre in ein Land ziehe, dessen Sprache ich nicht mal spreche. (Es hätte ja vielleicht auch schon gereicht in ein anderen Bundesland zu ziehen – größere Entfernung zur Heimat + Sprache, die ich nicht beherrsche :D- und es wäre sicher auch schön geworden.) Damit das Gefühlschaos perfekt wurde, hatte ich zum Abschluss auch noch eine wunderschöne Abschiedsparty. Ein riesengroßes Dankeschön an alle, die dabei sein konnten und vielen Dank für die umwerfende Hilfe bei der Vorbereitung und die vielen persönlichen Geschenke! Ihr seid toll! Doch trotz dieser Gefühlsachterbahn vor der Abreise habe ich meine Entscheidung noch keinen einzigen Tag bereut.  Ich wurde bisher von allen Seiten sehr herzlich aufgenommen – sei es von Kollegen oder auch vom Obsthändler um die Ecke.  🙂

Passschwierigkeiten und Einreise

Nicky Holstein (Name aus Datenschutzgründen verschleiert) – mein Ansprechpartner im Bundesverwaltungsamt – was hast Du mich Nerven und graue Haare gekostet!!! Obwohl ich meine Unterlagen für den notwendigen Dienstpass bereits im August vollständig abgegeben hatte, gab’s wohl irgendwo einen sehr großen Natzer. Anscheinend mahlen auch die deutschen bürokratischen Mühlen sehr langsam. Auf Nachfrage im Dezember, wo denn mein Dienstpass abgeblieben sei – ohne den ich offiziell nicht ausreisen hätte dürfen – kam nur die Antwort „Ich habe keine Ahnung, wo er sich befindet“. Solche Aussagen sorgen für Sicherheit! Sicherheit, dass man schreiend im Kreis laufen könnte! Nach erneutem Telefonanruf im Januar (meine Abreise war am 13. Januar) war mein Pass in der argentinischen Botschaft gefunden worden, „aber die sind gerade noch in den Weihnachtsferien“… Unmut kommt auf… Letztendlich kam der Pass am 11. Januar per Expresssendung zu mir geliefert und Plan B bis Z konnten über Bord geworfen werden!

Anflug auf das nicht enden wollende Buenos Aires. Erste Kontakte mit der spanischen Sprache. Erkenntnis: oh mei – des wird wos wern!

 

 

Lustigeres ereignete sich dann bei der Einreise in Buenos Aires. Beim Vorbereitungsseminar in Bonn sagte ein Dozent, dass er erst im Ausland gemerkt hat, welche deutschen Stereotypen eigentlich in ihm stecken. Und so wandert mein Blick über die lange Menschenschlange bei der Einreise. Nationale Unterschiede und Stereotype fallen sofort ins Auge. (Achtung: es folgen Pauschalisierungen!) Woran erkennt man Deutsche am Flughafen ohne sie sprechen zu hören?! AM OUTDOOROUTFIT! Während Spanier, Italiener und Franzosen oft schick angezogen ihr Köfferchen durch die Gänge ziehen und Asiaten mit Lieben Zuhause telefonieren, ist der Deutsche auffallend pragmatisch: Wanderoutfit von Jack Wolfskin und ein Rucksack von Deuter auf dem Rücken. Häufig auch an der Bauchtasche, die man noch unter der Hose versteckt und aus der man jedes Mal umständlich seine Unterlagen herausfummeln muss, zu erkennen! Bei Männern sieht man auch die Variante, die neben einem Gurt an der Hüfte zusätzlich durch einen Gurt um den Oberschenkel gesichert ist. Da kommen Fragen auf: haben wir wirklich so viel Angst davor bestohlen zu werden? Wollen wir es im Flugzeug einfach gemütlich haben? Wieso dann kein Jogginganzug? Und wieso wollen das die anderen Leute anscheinend nicht? Wer auf diese Fragen Antworten kennt, darf gerne einen Kommentar hinterlassen. Mit reinem Gewissen erlaube ich mir diese Beobachtungen über Deutsche zu schildern. Wieso? Auch ich habe den Bauchbeutel umgeschnallt und passe darauf mit Argusaugen auf! 🙂 Wieso gerade mein Bauchbeutel tatsächlich sehr wertvoll ist, erfahrt ihr gleich.

Cambio! Cambio! Cambio!  – Geld tauschen in Bs As

Da stand ich nun – ein paar Tage nach meiner Ankunft – noch sehr auf Sicherheit und überall lauernde Gefahren bedacht, mit meinem Rucksack vorne umgeschnallt und 50 Euro verkrampft in der Hand haltend in der „Geldtauschstraße“. Was bei uns wohl sehr dubios wäre, gilt laut argentinischem Stadtführer hier als ganz normal: man tauscht Geld auf der Straße. Nicht in der offiziellen Wechselstube (normaler Wechselkurs 1€ = 64-66 Peso, auf der Straße 1€ = 85-88 Peso). Aufgrund der schwierigen finanziellen Lage, die in Argentinien bereits mehrere Jahre andauert, hat sich ein Schwarzmarkt zum Geldtauschen entwickelt, der sich vor allem auf die Avenida Florida, eine Fußgängerzone, beschränkt. Geld abheben mit der europäischen Kreditkarte ist keine Option, da die Banken hier 10% Gebühren verlangen. Deshalb wurde mir schon im Vorfeld von Kolleginnen gesagt, möglichst viel Bargeld mitzubringen und es hier zu tauschen (deshalb auch die sagenumwobene Bauchtasche!). Der Stadtführer beschreibt für die Ausländer in seiner Stadtführung den Prozess:

– kundschafte einen arbolito aus (arbolito = Bäumchen; aufgrund der grünen Farbe der Dollarscheine)

– vereinbare den Kurs (+/- 1 Peso abweichend vom Dollar/Euro blue Kurs)

– gehe mit ihm/ihr in eine kleine Kammer, in der grimmig dreinschauende Männer hinter großen Bildschirmen und mit Geldzählmaschinen sitzen

– zähle das Geld nach und überprüfe, ob es sich um Falschgeld handelt

– verabschiede dich mit einem Küsschen auf die Backe vom arbollito und das Geschäft ist abgeschlossen.

Der erste Tausch war total nervenaufreibend, aber wenn man es einmal gemacht hat und von allen Seiten hört, dass es das Normalste auf der Welt ist, muss ich heute drüber schmunzeln, wenn ich mich an diesen ersten Tausch zurückerinnere. Mittlerweise habe ich eine persönliche arbolita meines Vertrauens gefunden. 😉

Typisch argentinisch: Mate, asado und besito

Mate oder „Wer hat aus meinem Becherchen getrunken?“

Der Mate gehört zu Argentinien, wie Rindersteaks und Fußball. Es handelt sich dabei nicht nur um ein etwas bitter schmeckendes Aufgussgetränk, sondern eher um soziale Interaktion. Man sieht ihn auf der Straße, in der U-Bahn oder auch in der Lehrerkonferenz. Dabei wird in einen Becher (z.B. eine Kalebasse oder einen Holzbecher s.Bild) Yerba gefüllt. Am ehesten könnte man es vielleicht mit grünem Tee vergleichen. Danach steckt man einen speziellen Trinkhalm (bombilla) in den Mate, gießt zuerst etwas Wasser auf Zimmertemperatur auf und dann Wasser um die 80°C. Aus diesem Becher und diesem Trinkhalm kann nun jeder Anwesende nach einem bestimmten Ritus trinken. Man trinkt den Becher komplett aus, gibt ihn an den Besitzer zurück, der ihn wieder auffüllt und an eine andere Person weitergibt. Erst wenn man nicht mehr davon trinken will, sagt man Danke. Es kann also gut und gerne sein, dass 10 Menschen vom gleichen Strohhalm trinken. Normalerweise isst man zu Mate süße Gebäckstückchen (facturas), vermutlich um die bittere Note etwas auszugleichen. Da ich noch neu im Matebusiness bin, kann ich bisher nur die leichte Variante mit gesüßtem Wasser trinken – was meine argentinischen Kollegen manchmal sehr schmunzeln lässt.

   Süßigkeiten gehören zu Mate. Diesem ungeschriebenen Gesetz unterwerfe ich mich gerne!

Asado – Grillen ist auch in Argentinien Männersache

Nach einer Lehrerkonferenz in der Sekundarstufe wurde ich von einem Kollegen und seiner Frau mit etwa 10 weiteren Kollegen zum asado eingeladen. Dabei handelt es sich um ein gemütliches get together zum Essen.  Der Prozess des Vorbereitens und Essens kann sich dann über mehrere Stunden hinziehen. Es wird viel gesprochen, gelacht, gespielt, getrunken und gegessen. Für mich war das eine wunderbare Gelegenheit mit meinen argentinischen Kollegen ins Gespräch zu kommen, ohne dass es sich um den Kontext Schule dreht. Für Fleischliebhaber ist asado wahrscheinlich wie eine Fahrt in der Geschmacksachterbahn. Grundsätzlich ist das Essen durch den italienischen Einfluss sehr lecker – Pizza, frische Pasta, Eis! Außerdem gibt es an jeder Ecke Obst- und Gemüsestände, die auch regionale Produkte anbieten.

 

Lehrerkonferenzen unter freiem Himmel sind deutlich angenehmer, selbst wenn mir danach immer der Schädel brummt, weil ein Sprachenchaos darin herrscht!

 

Besito – Küssen strengstens erwünscht!

In Argentinien begrüßt und verabschiedet man so ziemlich Jeden mit einem Küsschen auf die Wange. Das ist grundsätzlich nichts Neues für mich, da ich das schon aus Frankreich gewohnt bin. Doch auch meine Schüler und deren Eltern begrüße und verabschiede ich so. Körperliche Nähe und Distanz in der Schule sind sehr viel anders, als in Deutschland. Im Referendariat wurde mir noch eingebläut dahingehend besonders vorsichtig zu sein und hier sind ein Küsschen, eine Umarmung, ein bestätigendes Klopfen auf die Schulter gang und gäbe.

Vermutlich müssen diese beiden Gewohnheiten (Mate und Küsschen) deutlich umgestellt werden, sollte der Coronavirus auch nach Argentinien schwappen. Verwunderlich ist sowieso, dass das noch nicht flächendeckend der Fall ist, denn sehr viele Argentinier haben italienische Wurzeln und somit gibt es etliche Reisen von Italien nach Argentinien und umgekehrt.

 

Fazit der ersten Wochen: Vermutlich hätte ich mich auch anderswo auf der Welt wohlfühlen können, aber Argentinien und seine Bewohner machen es mir wirklich sehr leicht!

 

Besitos! :*