Schon unglaubliche 7 Jahre ist es her, dass Eva und ich zusammen auf dem Jakobsweg unterwegs waren. Wir hatten unseren 4. Abschnitt in Espalion (Frankreich) beendet, aber keineswegs darüber nachgedacht, wie wir je wieder in dieses Örtchen mit etwas weniger als 5.000 Einwohnern kommen sollten. Doch wir hatten Glück und Sanne und Marcus hatten einen Frankreichurlaub geplant und haben uns einfach eingepackt!
Die grüne Strecke auf der Europakarte haben wir schon zurückgelegt. Die diesjährige Etappe (Frankreichkarte, auch grün) sollte 10 Tage dauern und uns ein Stückchen weiter Richtung Santiago de Compostella bringen.
Wir befinden uns immer noch in Okzitanien, eine Region Frankreichs, die zu 40% aus geschützten Naturbereichen besteht, weshalb man auch nicht oft auf große Städte stößt und falls man mal in einer bewohntere Stadt kommt, kriegt man sofort eine Großstadtwatschn und wünscht sich in die Natur zurück. Als wir vor 7 Jahren in Espalion ankamen, hatten wir ziemlich genau die Hälfte der km zwischen Pfreimd und Santiago de Compostella geschafft, circa 1.300. Um dieses Jahr jede unserer Etappen ein wenig musikalisch zu untermalen, könnt ihr euch für jeden Tag Musik reinziehen! Außerdem gibt es immer auch einen Link zu den Unterkünften, dann könnt ihr euch ein Bild unserer Behausungen machen!
Und ab geht die Post!
Espalion – Massip (25,5km, 6,5h , 28 Grad)
Here we go again on our own … wieder zusammen, 7 Jahre älter, körperlich den Zenit schon überschritten und doch mit viel Lust weiterzumarschieren!
Nachdem uns Sanne und Marcus also abgesetzt hatten, checkten wir in die Pilgerherberge und unser Dreierzimmer ein, hatten aber eine recht stinkende, platzeinnehmende und unfreundliche Zimmergenossin, die vorher laut ihren Angaben nur im Zelt schlief und jetzt wieder auf die Zivilisation traf, sich also nach mehr als 2 Wochen endlich mal wieder richtig waschen konnte. Da hingen Schlüpfer rum, sämtliches Waschzeug flog im Bad umher und als am nächsten Tag unser Wecker klingelte, stand sie auf und belagerte das Bad! Frechheit! Wir sollten sie an diesem Tag noch öfters treffen, doch sie strafte uns mit Nichtbeachtung, erzählte jedoch anderen Pilgern von uns, sodass unsere Namen schon in aller Munde waren. Der erste Tag ging dann erstaunlich schnell voran und so kamen wir schon am frühen Nachmittag am Etappenziel an.
Herberge: http://loreeduchemin.fr/acces.html
Massip – Conques (23,7km, 6h, 30 Grad)
We’re walking, yes indeed we’re walking! Auch der zweite Tag lief gut, doch wegen des späten Frühstücks kamen wir erst um 7:30 los. Und die goldene Regel ist: in der Früh macht man die Kilometer! Über viele kochende Teerstraßen ging der Weg nach Conques, einem idyllischen Städtchen, welches zu den schönsten Städten Frankreichs zählt: https://de.m.wikipedia.org/wiki/Die_schönsten_Dörfer_Frankreichs
Wir kamen in der Abtei Ste- Foy unter und beim gemeinschaftlichen Abendessen wurde Eva entgegen ihres Willens auserkoren eine Fürbitte in der Messe zu lesen – herrlich! Ob da ein Neuanfang mit der katholischen Kirche bevorsteht? Man weiß es nicht! Gebenedeit gingen wir ins Bett und schlummerten herrlichst!
Herberge: https://abbaye-conques.org/hotellerie
Conques – Livinhac-le-Haut (24,2km, 7h, 30 Grad)
Bring Eva und Johanna up, bring Eva und Johanna down. Genau so ging es den ganzen Tag! Ein einziges bergiges Auf und Ab! Man sieht auch schon an der Zeit, dass wir aufgrund der Steigungen nicht flott unterwegs waren. Wieder recht zeitig gestartet liefen wir in glühender Hitze nach Livinghac-le-haut. Haut bedeutet auf Deutsch oben. Dieser Zusatz im Ortsnamen sorgt bei uns nie für strahlende Gesichter, denn dann wissen wir, dass es bis zum Etappenziel immer erst nochmal hoch hinaus geht!
Am Morgen waren wir in der Abtei noch von ein paar Kellerasseln und sogar einer Schnecke!!! umringt und flitzten deshalb schnell zum Frühstück und verabschiedeten uns von einigen Mitpilgern, die in Conques Schluss machten und auch von einem zuerst als sehr grumpy eingestuften Pariser, der sich am Ende als sehr feine Seele herausstellte. Der Jakobsweg zeigt oft, dass der erste Eindruck trügerisch sein kann. Auf dem Weg trafen wir Claire – eine Pilgerin mittleren Alters, die im Baumwollkleid unterwegs ist! Und obwohl Claire schon im dritten Jahr auf dem Jakobsweg läuft, hat sie noch nicht wirklich dazugelernt. Außerdem ging Claire nicht durch die Böhmsche Schule und hat somit nicht glernt Abstriche zu machen. (die mit rot durchgestrichenen Gegenstände wurden nach Evas Inspektion noch aus meinem Rucksack verbannt :)).
Hier mal eine Auflistung von Claires Fehlgriffen und unsere Verbesserungsvorschläge (die wir über die Jahre auch erst selbst lernen mussten):
- 13-15 kg im Rucksack (10% des Körpergewichts sind optimal, bei uns sind‘s dieses Jahr mit 12% etwas mehr)
- Handtasche und Jutebeutel (nichts in der Hand tragen!)
- Baumwollkleider als Wander- und Abendoutfit (alles, was leicht ist und schnell trocknet vorziehen; danach alle Optionen wiegen und nach Gewicht entscheiden, was mitkommt)
- viele Tomaten und Eier als Wandersnack (leichtes Gemüse wie Paprika wählen)
- 3 Zahnpastas (kein Kommentar)
- Rucksack nur an einem Träger tragen (wenn man den Rucksack gut mit allen Bändern über der Hüfte zuschnürt und die schweren Sachen circa im Lendenwirbelbereich nach an Rücken trägt, wiegt er fast gar nichts)
Herberge: https://gite-achacunsonchemin.com/
Livinhac-le-Haut – Figeac (23,5km, 5,5h, 36 Grad)
Bei so krassen Temperaturen ist es wichtig, früh zu starten. Normalerweise versuchen wir zwischen 6-6:30 Uhr loszukommen, nach circa 12 km oder der Hälfte des Weges eine Minipause zu machen, weiterzulaufen und kurz vor dem Ziel (bei circa 3-4km) unsere große Essenspause einzulegen. Danach kommt man so gegen 14-15 Uhr in der Unterkunft an, duscht sich, kauft vielleicht noch Essen für den nächsten Tag, wäscht die Wäsche (denn bei nur zwei Outfits muss man immer waschen) und entspannt bis zum Abendessen. Um 21-22 Uhr ist dann auch schon Zapfenstreich.
Doch nicht so bei Nathalie in Figeac! Nach unserer Ankunft wurde geredet und geredet und noch mehr geredet. Wir wollten einfach nur duschen und uns den Mix aus Schweiß-Sonnencreme-Dreck (man glaubt gar nicht wie dreckig man dann letztendlich ist!!) abwaschen und die Füße hochlegen. Doch das extrafeine Abendessen ließ uns dann doch ihren Laberflash vergessen!
Herberge: https://www.podiensis.com/hebergement/263-gite-detape-gite-le-pont-du-pin
Figeac – Cajarc (33km, 7,5h, 35 Grad)
Was für eine elendig lange Etappe! Am Vortag machte uns Nathalie schon Angst: „kein Schatten, viele Kilometer und nur Steine“. Das klang doch vielversprechend! Tatsächlich hatte sie mit der Länge der Etappe Recht, doch mit dem Rest glücklicherweise nicht. Es zog sich und zog sich und die Aussicht, dass wir an diesem Tag bei Couchsurfern waren, beflügelte uns auch nicht gerade, denn wir wussten, dass wir uns dann nicht einfach mal drei Stunden auf die Betten schmeißen können, um zu entspannen. Als uns dann am Ortseingang auch noch ein bereits bekannter Mitpilger schon geduscht entgegenkam und uns fragte, ob wir wohl viele Pausen gemacht hätten, weil wir so spät ankamen, wäre mir fast die Hutschnur hochgegangen!! Nach 33km kurz vorm Kollaps (körperlich und mental!), die Temperaturanzeige der Apotheke zeigt 38 Grad und dann kommt dieses französische Bübchen und bringt diesen Spruch! La grande classe! Dabei sind wir an diesem Tag 6km weitergegangen als er! Bei den Couchsurfern Brian und Cécile war‘s dann letztendlich entspannter als gedacht und sie fuhren noch mit uns zu einem outdoor Jazzkonzert im Nachbardorf und zeigten uns die Umgebung.
Cajarc – Varaire (24,8km, 6,5h, 31 Grad)
Bei dieser Etappe mussten wir tatsächlich mit Taschenlampenlicht los, da die Straßenlaternen noch nicht eingeschaltet waren. In Frankreich gibt es in vielen Städten ein Programm zur Einsparung von Licht über Nacht und da wir ja nur in der Pampa unterwegs sind, war‘s stockmauernfinster! Die Landschaft war wenig spannend und extrem trocken, doch wir kamen gut durch und erreichten Varaire, wo wir uns bei Louise und Patrice gleich mal ein belebendes Fußbad und eine Massage mit ätherischen Ölen gönnten. Und schon sollte das Karma wieder zurückschlagen, denn als wir schon schön entspannt beim Fußbad saßen, kam das französische Bübchen an und war von der Hitze und schlecht aufgetragener Sonnencreme schwer gezeichnet. Er konnte nur eine kurze Rast machen, denn er musste noch 5km weiter gehen. Wir verkniffen uns den Kommentar, denn unser Motto ist ja nicht Auge um Auge ;). Diesmal gab‘s keine Verköstigung durch die Gastgeber, denn sie wollten sich um das seelische Wohl der Gäste kümmern. Deshalb waren Nudeln mit Tomatensoße angesagt, die noch fast zwei weitere Tage reichen sollten! Kulinarik pur!
Herberge: https://clos-des-escoutilles.eu/
Varaire – Cahors (31,5km, 7,5h, 31 Grad)
Wie der Kerl in Katy Perrys hot and cold standen wir vor der großen Entscheidung: bis nach Cahors gehen – ja oder nein?! Die Etappe von Figeac nach Varaire hing uns noch in den Beinen und blieb uns nicht in sonderlich guter Erinnerung. Es wäre wieder eine 30+ Etappe und auch die Temperatur sollte wieder 30+ sein und unterkunftsmäßig sah’s mau aus, sollten wir früher Schluss machen müssen! Da wir uns am Vortag darauf geeinigt hatten, nur 20 km zu gehen, da es danach bis Cahors keine freien Unterkünfte mehr gab, sind wir auch nicht sonderlich früh gestartet, sondern erst um 7. Erstaunlicherweise ging es aber so gut, dass wir schon um 11:30 beim eigentlichen Ziel angekommen waren, weshalb wir uns dann spontan doch dazu entschlossen, noch weitere 12km bis nach Cahors zu gehen.
Und dann hatten wir es tatsächlich geschafft und landeten sogar in einem Donativo. Das ist eine Unterkunft, bei dir man so viel geben kann, wie man möchte. Uuuund wir waren in einem Zimmer mit nur zwei Betten. Also alles richtig gemacht! Mit uns in der Unterkunft waren noch zwei mittelalterliche Französinnen, die deutlich weniger Geld gegeben haben als wir und da wir das Geld nur in eine Box legen sollten, weiß die Herbergsfrau jetzt nicht, wer die Geizhälse waren! Wir hoffen, dass nicht wir im Verdacht stehen!
Herberge: https://www.lesateliersdeletoile.com/accueil-p%C3%A8lerins
Cahors – Lascabanes (24,7km, 6h, 36 Grad)
Irgendwann musste der Moment ja wieder kommen … wir fingen an zu stinken! Trotz täglichen Duschens, bleibt der Mief nicht aus, wenn man die Wäsche jeden Tag nur per Hand waschen kann. Und bei den hohen Temperaturen kommt die Schwitze aus jeder Ritze! Vorallem da es gleich in Cahors mit riesigen Treppenstunden ordentlich bergauf ging! Und auch ein weiteres Missgeschick passierte uns: wir sind falsch abgebogen, haben es aber glücklicherweise schon nach einem Kilometer bemerkt und sind umgedreht. Normalerweise folgt man auf dem Jakobsweg immer dem Muschensymbol (dorthin, wo die Strahlen zusammenlaufen), doch auf den unterschiedlichen Wegen gibt es auch unterschiedliche Markierungen und manchmal zweigen Varianten ab, die zwar an’s gleiche Ziel führen, aber noch an diesem und jenem katholischen Ort vorbeiführen. Und genau so einer Variante sind wir hinterher gehatscht. Dann wurden wir auch noch von einem Passanten gefragt, ob wir den Weg wohl machen, um Gewicht zu verlieren. Ganz schön viel passiert an diesem Tag, aber das Highlight sollte erst kommen! Zunächst mal kamen wir in einer wunderbar urigen Unterkunft bei Jean-Mi und Marie an. Ein betagteres Ehepaar, die jeden Tag Pilger beherbergen und mit ihnen zu Abend essen, dabei köstlichstes Essen kredenzen und bestimmt auch die ein oder andere Seele reinigen. Mit uns im Zimmer hatte ich dann endlich mal oberpfälzer Verstärkung, denn zufällig kamen zwei Pilger aus Hainsacker in unser Zimmer. Dass wir auch noch ein paar gleiche Bekannte haben, machte den Zufall dann noch schöner!
Herberge: https://www.gite-etape-bleue.com/
Lascabanes – Lauzerte (25km, 6,5h, 36 Grad)
Nach der dürren Steppe der letzten Tage wurde die Flora endlich wieder grün! Saftige Wiesen, die zu Pausen einluden, schattige Bäume – es war herrlich! Die Herberge war ziemlich mies – es fühlte sich an, wie in einem Krankenhaus und auch die Verpflegung war echt mau, obwohl uns am Telefon noch angespriesen wurde, dass alles selbstgemacht ist. Weil wir nach einem vegetarischen Gericht gefragt hatten, wurden wir auch noch von der Herbergsmutter gedisst. Es gab Reis mit Crème Fraiche Soße – nahrhaft ist anders! Bisher hatten wir es immer gut erwischt und konnten leckeres Essen schnabulieren, aber diesmal war das ein Satz mit X. Mit uns in der Unterkunft war eine Gruppe, die durch einen Priester angeführt wurde, der bei über 30 Grad im schwarzen Talar wanderte – was sag ich: rannte! Die sind immer betend an uns vorbeigebraust und dann doch am gleichen Ort gelandet. Soviel steht fest: der Priester konnte seinen Talar nicht waschen, er wäre ja nie und nimmer getrocknet. Er hatten sich auch schon herrliche Schwitze-Salz-Ränder auf seinem Rücken gebildet.
Herberge: https://www.gitecommunal-lauzerte.com/
Lauzerte – Moissac (28,7km, 7h, 38 Grad)
Es war eine Arschbacken-zamzwickn-Etappe! Augen zu und durch! Die letzte Etappe sollte uns nochmal einiges abverlangen, denn obwohl es bis zum Ortsschild von Moissac nur 24km waren, musste man sich noch fast 5 weitere km bis zum Bahnhof durchkämpfen. Und das alles am heißesten Tag der ganzen Wanderung. Doch es lief erstaunlich gut für die lange Strecke, denn wir hatten uns schon auf’s Schlimmste eingestellt. Der Weg zog sich über lange, heiße Teerstraßen und Hühner wollten uns den schon schwitzenden Brotzeitkäse stibitzen, aber wir konnten ihn verteidigen und kamen dann ziemlich entkräftet am Bahnhof an. Da unser Flixbus am nächsten Tag von Montauban aus ging, fuhren wir gleich am Abend mit dem Zug dorthin. Eigentlich sollten wir dort bei einer Couchsurferin übernachten, aber sie hat sich (bis heute) nicht mehr gemeldet.
Die 10 Tage sind komplett schnell verflogen. Ingesamt 265km liegen wieder hinter uns und was haben wir gelernt?
- manchmal täuscht der erste Eindruck
- wir sind noch nicht eingerostet
- es ist noch immer besser zu zweit
- diese Orte Frankreichs hätte wir wohl ohne den Weg nicht gesehen
Und zum Ende noch eine kleine Weisheit
Bitte ans Lächeln denken
Man ist nicht dafür verantwortlich, welches Gesicht man hat, aber wohl dafür, welches Gesicht man macht!
Ultreia!