Hypnotisierend drehen die Rotorblätter des Ventilators ihre Kreise und fächern uns die dringend benötigte Luft zu. Leicht bitter schmeckt man noch das Salz des Meeres auf der Haut und feine Sandreste rieseln hier und da aus den Haaren. Wir sind auf der Reise doch tatsächlich im Urlaub angekommen. Nach unserer aufregenden Zeit in Haiti führt uns jetzt der Weg durch die Dominikanische Republik.
Noch in Cap Haïtien erfuhren wir, dass der Busverkehr im Norden durch Caribe Tours auf unbestimmte Zeit eingestellt wurde. Der Buschfunk brodelt. Anscheinend wurde ein haitianischer Junge von einem der Busse umgefahren, woraufhin der Busfahrer umgebracht wurde. Selbstjustiz. So blieb uns keine andere Wahl als die Grenze zu Fuß zu überqueren. Der Franzose Joël, der eigentlich schon einen Tag vorher auf der gleiche Route weiterreisen wollte, entschloss sich uns zu begleiten : <<Au moins on serait trois dans la merde!>> . Durch etliche Horrorgeschichten von Paul, der anscheinend brenzlige Situationen anzieht wie das Licht Mücken (Messerstecherei, bewaffneter Überfall, Abzocke beim Geldtausch, um nur ein paar zu nennen), waren wir doch nervös als wir uns der Grenze näherten. Doch alles lief zu unserem Erstaunen und auch zur allgemeinen Erleichterung ohne nennenswerte Vorkommnisse ab. Als würde man vom Rosswurststand der Tillyschanze zur Jet-Tankstelle laufen und müsste zweimal seinen Ausweis stempeln lassen. Verglichen mit einem Behördengang in Deutschland, bei dem man seine Nummer zieht und jeder seinen Platz in der Schlange akribisch verteidigt, war es zwar vogelwild (buntes Durcheinander an Menschen und Stimmen, jeder legt seinen Pass irgendwie und irgendwann an den Schalter, der Ausreisezettel wird flink und krakelig an der Wand ausgefüllt), aber wir waren wohl schon Einiges gewöhnt und hatten ja weitaus Schlimmeres erwartet. Also viel Wind um nichts. Nach der Grenze stiegen wir in den nächsten Caribe Tours Bus und wurden auf der Fahrt nach Santiago de los Caballeros sage und schreibe 7x angehalten und von Grenz- und Möchtegernpolizisten kontrolliert. Diesmal waren aber nicht wir das Zentrum der Aufmerksamkeit, sondern die Starkpigmentiertesten im Bus. Vermutlich hielt man sie für Haitianer.
Playa Dorada – wow!
Nach so viel Aufregung hatten wir uns doch ein bisschen Luxus verdient und mieteten uns in ein Bed&Breakfast direkt an der Playa Dorada in Puerto Plata ein. Gerade noch gefreut, folgte die Ernüchterung auf dem Fuße: die Steuern von ca. 20% waren im Preis noch nicht inbegriffen. Hm, ungünstig – im wahrsten Sinne des Wortes! Doch der Plan, wie wir die Kosten wieder reinholen konnten, war schnell gefunden (ich reise eben doch mit einer Schwäbin): der Aufenthalt beim sehr üppigen Frühstücksbüffet wurde so in die Länge gezogen, sodass man auf jeden Fall bis zum Abendessen keinen Hunger mehr hatte! Außerdem konfiszierten wir die täglich aufgefüllten Duschartikel, ausgenommen der Badehaube, gänzlich. Da war es: das Bild, das man vor Augen hat, wenn man über die DR spricht. Direkt vor uns. Wir bugsierten unsere weißen Körper auf die noch weißeren Laken der Strandbetten und strahlten ob des traumhaften Ausblicks aufs türkisfarbene Meer wie zwei Honigkuchenpferde um die Wette.
Links und rechts stiegen Kites in die Luft und schon war der Appetit diese Sportart auszuprobieren geweckt. Nur konnten wir uns aufgrund des durch’s Frühstück überfüllten Magens und der unsagbar schönen Krebsröte, die wir prompt kassierten, in dieser Unterkunft noch nicht dazu bewegen.
Nach ein paar Tagen wurde aber das Rumliegen ziemlich fad und wir zogen weiter nach Puerto Plata City in ein kleines, aber feines AirBnB zu Klaudia, einer Dominikanerin mit polnischen Wurzeln, die gern das Füllwort Ewewe in ihre englischen Äußerungen einbaut: ‘ewewe you should go to the ewewe caves of ewewe el choco parc’. Puerto Plata – eigentlich sehr als Tourihochburg in Verruf – zeigt sich als überschaubar. Die Häuser sind im Kolonialstil gehalten und hübsch anzusehen.
Abends fiel einfach mal der Strom für die halbe Nacht aus, schien aber niemanden groß zu wundern. Das nächste große Abenteuer stand an! Die 27 Charcos von Damajagua. (Leider war die Begleitung durch einen Fotografen außerhalb des Budgets, deshalb nur ein YouTube Video: https://m.youtube.com/watch?v=QJA8zvk6nec ). Begleitet durch Joël, der einstweilen woanders unterwegs war, brachen wir mit dem Guagua (dominikanische Variante des Taptaps) auf. Diese Minibusfahrten sind sehr günstig und immer eine ganz besondere Erfahrungen. Wer macht was?
Fahrer – fährt und betätigt Lichthupe; singt auch gelegentlich
Beifahrer – öffnet bei jeder am Straßenrand stehenden Person die Tür und pfeift; kassiert Geld
Insassen – häufig zu viele; mit allerhand Krimskrams bewaffnet
Eigentlich ist es wie trampen. Ein- und Aussteigen kann man überall. Meistens sind die Busse (ca. 15 Sitzplätze offiziell – ab und zu bis auf 25 ausgedehnt) in einem sehr maroden Zustand und würden bei uns spätestens bei der TÜV Kontrolle aus dem Verkehr gezogen. Aber genau das macht doch reisen aus: sich wie Einheimische fortbewegen, sich treiben lassen, die Eigenarten und Sichtweisen kennenlernen und die Geschwindigkeit des Landes aufnehmen. In der DR geht‘s eben meistens eher langsamer voran, aber der Blick aus dem Fenster wurde bisher auch noch nie langweilig. 🙂
Die 27 Charcos sind, wie der Name schon sagt, 27 unterschiedlich große Wasserfälle. Mal größer, mal kleiner, mal steiler, mal kurviger – und immer ein Heidenspaß! Kurz weist uns der Guide ein und fragt: „Can you swim?“ „Like a fish or like a rock?“ und schon geht’s ab! Nach 45 Minuten Aufstieg im atemberaubenden Dschungel schwimmen, klettern, wandern, rutschen und springen wir über 27 wunderbare Wasserfälle. Eva überwindet beim höchsten Sprung von über 8m ihre anfängliche Angst und wir können uns an der Landschaft gar nicht satt sehen. Lianen hängen in den Windungen des Flusslaufes. Warmer Sommerregen prasselt auf unsere Haut und macht das Erlebnis noch berauschender.
Tubagua – wo sich Gecko und Spinne gute Nacht sagen!
Doch schon geht’s am nächsten Tag weiter nach Tubagua in eine in den Höhen Puerto Platas gelegene Eco Lodge. Um dorthin zu kommen wählten wir Uber. Der Fahrer verlangte am Ende mehr als ausgemacht, doch nach einer kurzen Beschwerde beim Konzern erhielten wir den Fahrtpreis erstattet – Karma! Die Straße schlängelte sich den Berg hinauf, doch erst ganz oben wollten wir in die Landschaft schauen. Ein wundervoll weiter Ausblick. Die Eco Lodge besteht aus kleinen Hüttchen, die je nach Größe des Geldbeutels eigene oder gemeinsam genutzte Toiletten oder Duschen haben.
Für uns gab’s nach dem Playa Dorada Fiasko selbstverständlich die Sparmaßnahme. Im Nachhinein war das keine schlechte Wahl, denn unter der Dusche und auf der Toilette bot sich uns diese Aussicht:
Aber die Offenheit der ganzen Räume bringt natürlich auch manchmal ungeliebte Besucher mit sich… Eva wird später in ihr Reisetagebuch schreiben : „durch innere Meditation und gutes Zureden von Johanna überlebe ich den ersten Abend“. Tatsächlich sah ich dort bei nächtlichem Austreten meine erste, außerhalb eines Terrariums lebende Vogelspinne – von der ich Eva aber erst kurz vor der Abreise erzählte. In den zwei Tagen des Lesens und Ausblickgenießens lernten wir ein lustiges amerikanisches Pärchen kennen, das uns prompt bei der Abreise in ihrem Leihwagen mit zur nächsten Guagua Straße nahm und uns Obst und Wein schenkte – wieder einmal clever gespart! Nach 2 Minuten kam pfeifend (der Beifahrer und der Zustand des Gefährts) das nächste Guagua. Wir wurden mitsamt unserer beiden Riesenrucksäcken, zwei kleinen Rucksäcken und Beuteln mit Proviant (Waffeln und Keks für unterwegs!) durch tatkräftige Mithilfe aller Mitfahrer auf die letzten zwei Plätze im Heck des Busses gepflanzt und die wilde Fahrt ging los. Für die 40 km lange Strecke nach Cabarete zahlte jede von uns umgerechnet nur einen Euro. Kuscheln mit dem Sitznachbarn gratis, versteht sich!
Cabarete – Kitezählen unmöglich
Dort angekommen checkten wir ins nächste AirBnB (ein Haus, das nur von Kitesurfern bewohnt ist) ein, füllten den Kühlschrank mit allerhand Lebensmitteln für die kommende Woche und begaben uns in das Treiben am Strand. Mehr als 50 Kites wirbelten durch die Luft und ließen uns staunen. Das der Sport sehr viel leichter aussieht, als er tatsächlich ist, bekam ich am eigenen Leib zu spüren. Doch nach 4,5 Tagen Unterricht, dutzenden Litern verschluckten Meerwassers, einigen ziemlich derben Bruchlandungen und vielen aufmunternden High Fives des Kitelehrers schaffe ich es teilweise über das Wasser zu brausen bevor mir Wind, Wasser, andere Kiter oder Angst einen Strich durch die Rechnung machen, meine glorreichen 20 Sekunden Wellenreiten mit einem unsanften Glutaeus Maximus oder wahlweise auch Bauchplatscher unterbrechen und mich so aus dem Kiteuniversum auf den Meeresspiegel zurückholen. Doch schon alleine diese kurzen Höhenflüge machen auf jeden Fall Lust auf mehr!
Am letzten Tag in Cabarete machten wir einen Abstecher in den Nationalpark El Choco und seine Höhlen. Folgendes Ereignis erinnert mich stark an das Springen ins leuchtende Plankton bei Koh Rong und wieder finde ich es ein wenig unglaublich, dass ich das erlebt habe. Unser Parkführer zeigte uns zunächst ansässige Flora und Fauna bevor er durch einen früheren Vodootempel mit uns 25m in eine stockdunkle Höhle abstieg. Am Ende befand sich eine noch dunklere Lagune. Totenstille. Ohne mit der Wimper zu zucken entledigte sich Eva ihrer Hose und ihres Shirts und sprang ins Schwarze Nichts und ich hinterher. Ich kann nur sagen: gruselig und aufregend hoch 10!! Hier ein kleines Video: F6018279-C466-4D36-8559-2680A0E3C951
Danach führte er uns zu einer Höhle mit Stalagmiten und Stalagtiten und einer weiteren Lagune zum Baden. Er selbst zog sich eine Schwimmweste über, denn er konnte nicht richtig schwimmen. Bei dem Job nennt man das wohl Leben am Limit!
Jetzt bricht schon die letzte Woche der Reise an und das Ferienende rückt näher!
Besos de Cabarete! :*