Na gut!!! Bevor ihr euch zuhause langweilt, schreibe ich ein paar Zeilen, die ihr lesen könnt – oder auch nicht! Dieser Blogeintrag wird anders – angepasst an die Situation, in der wir uns befinden.
Er wird folgende Fragen beantworten:
– wie ist die Corona Situation in Argentinien?
– wie wirkt sich das auf Johannas Leben hier aus?
– was macht Johanna eigentlich in Buenos Aires?! 🙂
Die Nachrichten weltweit überschlagen sich täglich und alles, was wir hören, dreht sich nur noch um die Corona Pandemie. Soviel vorweg, ich bin noch in Buenos Aires und es geht mir gut. 🙂 Auch nach Argentinien ist das Virus geschwappt und hält uns seitdem in Atem. Ich möchte euch einen Überblick dazu mit einer timeline geben.
3. März: der erste Mensch in Argentinien wurde positiv auf Corona getestet.
7. März: Argentinien verzeichnet den ersten Toten durch das Virus.
9. März: die Schule verschickt Anweisungen zum richtigen Umgang miteinander (Punkt #1 Keine Küsschen mehr – nennt mich Pythia; Videos zum richtigen Händewaschen und Verhalten werden verschickt; überall steht Desinfektionsmittel). In jeder Klasse erklärt eine Lehrkraft die neuen Regeln auf Spanisch. Keine drei Minuten nachdem sie darüber gesprochen hat, dass man sich nicht mit Händen oder Gegenständen ins Gesicht fassen soll, lutschen zwei meiner Schüler schon wieder am Füller rum. Ein Satz mit X…
16. März: alle Schulen in Argentinien werden auf ungewisse Zeit geschlossen.
20. März: die Regierung verhängt eine Ausgangssperre bis zum 31. März (nur Einkäufe oder Arztbesuche werden geduldet; der Besuch von Restaurants, Cafés oder Ähnlichem wird verboten; die Polizei kontrolliert streng; nur diejenigen, die einen Passierschein (z.B. zum Arbeiten) haben, dürfen aus Buenos Aires raus oder nach Buenos Aires rein). Zu dieser Zeit waren es 158 Infizierte und 3 Tote.
29. März: die Ausgangssperre wird bis nach Ostern verlängert. Nichtbefolgung der Anweisungen wird mit hoher Geld- oder direkter Gefängnisstrafe belegt. 820 Infizierte, 20 Tote. Ein Depp rennt weiterhin draußen rum und fängt Pokemons mit dem Handy. Resultat: unsanftes Wrestling am Boden mit Polizei, Handschellen, Mundschutz und ewiger Ruhm im Internet: https://www.eltrecetv.com.ar/noticias/un-joven-chino-fue-detenido-mientras-cazaba-pokemones-en-plena-cuarentena_127442
Karfreitag 2020: inzwischen wurde die Ausgangssperre bis 26. April verlängert. Es wird angekündigt, dass die Maßnahmen flexibler gestaltet werden. Was das genau heißt, weiß aber niemand. 1.894 Infizierte, 79 Tote.
Die deutsche Lehrerschaft in ganz Südamerika ist gespalten. Während manche Kollegen schon nach Deutschland zurückgeflogen sind, spielen andere mit dem Gedanken zu gehen und wieder andere bleiben. Ich gehöre zu letzterer Gruppe. In der letzten Woche habe ich mir etliche Male den Kopf darüber zerbrochen, das Für und Wider abgewogen und mich eigentlich dabei nur im Kreis gedreht. Doch irgendwann muss man sich zumindest auf gewisse Zeit entscheiden, sonst bleibt das sich-im-Kreis-Drehen die einzige Tagesbeschäftigung. So höre ich zunächst auf den Rat einer lieben Freundin und halte die Füße still, denn zu viel denken stört hald auch beim glücklich sein. Drastische Veränderungen der Gegebenheiten werden selbstverständlich zu einer Neubewertung führen. In all diesem Hin und Her hat sich allerdings auch eines für mich klar gezeigt: ich habe nicht nur wunderbare Familie und Freunde Zuhause, sondern auch warmherzige Kollegen, die mich und meine Bedenken verstehen und sich um mich sorgen. Von allen Seiten wird mir Unterstützung angeboten. Dieser Rückenwind bestärkt und tut einfach gut.
Achtung: das nächste Foto aus dem Supermarkt bei mir um die Ecke könnte das grüne Neidmonster in euch erwecken!
Keine Toilettenpapierknappheit in Buenos Aires. Nur das dreilagige Elite-Toilettenpapier ist wohl derzeit sehr beliebt! 🙂
Wie wirkt sich also diese Pandemie auf mein eigenes derzeitiges Leben aus? Einerseits eher wenig: ich lebe weiterhin in Buenos Aires und unterrichte. Das Wie hat sich allerdings stark verändert.
Einkauf einmal wöchentlich. Beschränkung auf sportliche Aktivitäten, die man in der Wohnung machen kann. Ganz viel Sonne auf dem Balkon tanken. Im Kräutergarten aufräumen.
(Selbstverständlich esse ich zuerst immer alle ungesunden Einkäufe, wie die Kinderschokolade, die ich mit Pepsi runterspüle, bevor ich der Ananas überhaupt eines Blickes würdige! Man kennt sich!)
Aufgaben für die Schüler erstellen – Aufgaben korrigieren – Rückmeldung geben. Mein einziger täglicher Termin: um 21 Uhr geht jeder auf seinen Balkon und applaudiert für die Menschen, die derzeit arbeiten müssen und dem Virus stärker ausgesetzt sind. Das ist auch der Zeitpunkt, an dem sich meine Nachbarin gegenüber und ich uns zuwinken und uns beide freuen, dass wir uns sehen. Man lernt die kleinen Dinge zu schätzen! 🙂
Man könnte meinen, dass diese Situation zur geistigen Umnachtung führt, doch weit gefehlt! Ich bin meistens so mit Arbeit eingedeckt, dass ich einen relativ normalen Tagesablauf habe. Außerdem lese ich viel und habe mir eine Gitarre gekauft – zum Leidwesen aller Nachbarn! 😉
Was man sich immer vor Augen führen sollte ist, dass einem die Decke nur auf den Kopf fällt, wenn man sie sich auf den Kopf fallen lässt! Wolltet ihr schon immer mal eine weitere Fremdsprache lernen – jetzt ist der Zeitpunkt. Und Yoga oder Meditieren, das steht doch auch sicher ganz oben auf der Liste. Wie wär’s eigentlich mal damit, die Unterlagen zu ordnen oder die Mails im Postfach durchzulöschen? Und auch neue Koch- oder Backrezepte lassen sich jetzt perfekt ausprobieren. Wer noch mehr Inspiration sucht, kann den Coronamat https://www.coronamat.de/ oder mich konsultieren. Glaubt mir, ich hätte Ideen! 😀
Zwischenzeitlich gab es einen offiziellen Aufruf, dass eine Patientin dringend Blut der Blutgruppe 0 negativ braucht. Da ich vor Corona schon mit dem Gedanken gespielt hatte Blutspenden zu gehen, bot sich also jetzt die Gelegenheit dem Trott der Ausgangssperre ein bisschen zu entfliehen und ein wenig Normalität zurückzugewinnen. Ausgestattet mit einem Passierschein machte ich mich auf den Weg ins Krankenhause. Dort kämpfte ich mich mühsam durch den umfangreichen Fragebogen und schon lag ich auf der Liege in der Horizontalen und ein überaus freundlicher Pfleger kümmerte sich um mein Wohlbefinden, während sich der Blutspendebeutel füllte. Immer wieder ein herrliches Gefühl der Lebendigkeit, wenn man durch den auf dem Unterarm aufliegenden Schlauch die Wärme seines eigenen Bluts spürt.
Erkennbare Unterschiede zur Blutspende in Deutschland: weniger Fragen zu Reisen außerhalb des Landes auf dem Fragebogen – wesentlich kleineres Pflaster – landestypische Verköstigung danach (Medialuna ersetzt Wurstsemmel).
Ansonsten läuft alles identisch ab: Fragen beantworten – Arztgespräch- hinlegen – Nadel rein – Blut raus – Nadel raus – Pflaster drauf – aufstehen – essen – gehen. Hey!! Du denkst dir gerade, dass das gar nicht so schwierig klingt und dass das grundsätzlich vielleicht viel mehr Menschen, die eigentlich spendetauglich wären, machen könnten/sollten?! Ja, das stimmt.
Dann kommen wir auch schon zur dritten Frage auf der Agenda: was mache ich eigentlich hier?! Auf meinem Ausweis von der Botschaft steht, dass ich auf ‚misiones especiales‘ bin – auf spezieller Mission also. Und tatsächlich liegt die Botschaft da gar nicht so falsch.
Alles begann 2017 auf einer erstaunlich trägen Versammlung eines Lehrerverbands. Zwei Tage vollgepflastert mit Vorträgen, Lobpreisungen und endlosen Abstimmungen mit Referendarskollegen, bei manchen dieser Konsorten man die Berufswahl doch ein wenig hinterfragte. Mein Lichtblick: ein flammender Vortrag über das Auslandsschulwesen eines betagteren Referenten, der schon an mehreren Einsatzorten im Ausland gearbeitet hat. Dieser sympathische Mann hat eine Idee in meinen Kopf gepflanzt, die mich durch die ganze Zeit des Referendariats begleiten sollte. Doch schon beim Auswahlgespräch in Bonn gab es einen heftigen Dämpfer, denn meine Fächer sind an Deutschen Auslandsschulen nicht gefragt. Scheibenkleister! Der sympathische Mann vom Vortag hat angeboten, dass ich ihn jederzeit konsultieren könnte, was ich auch durchaus mehrmals tat. Wahrscheinlich hat er bald bereut, mir das überhaupt angeboten zu haben! 🙂
Weltweit gibt es circa 140 Deutsche Auslandsschulen (DAS) und etliche Schulen, an denen das Deutsche Sprachdiplom angeboten wird. An einer DAS sind mehrere Fächer auf Deutsch (an meiner Schule wird neben Deutsch auch Geschichte und Biologie auf Deutsch unterrichtet). Die Schüler begegnen der deutschen Sprache ab dem Kindergarten. Es handelt sich dabei um Privatschulen, die zum Teil aus Deutschland finanziert werden, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen, die im 5-Jahresrhythmus in einem aufwändigen Prozess überprüft werden.
Meine Fächer im Referendariat waren Englisch, Sport und Französisch. Hier unterrichte ich Deutsch als Fremdsprache (DaF). Genau! Ich bringe Schülern die deutsche Sprache bei. In absehbarer Zeit laufen hier also lauter kleine Oberpfälzer rum, was ich wiederum schon ein bisschen witzig finde. Über Kirwatraditionen und Watschenplattler habe ich sie schon aufgeklärt. Bald bringe ich ihnen bei zu bellen! Des wird a Gaudi!
Die Deutsche Schule Temperley – so der offizielle Name meiner Schule – besteht aus 3 Bereichen: Kindergarten – Grundschule – Gymnasium. Und so teilt sich meine Arbeit in diesen drei Bereichen auf:
Ich unterrichte in der 5. Klasse 10 Stunden DaF pro Woche in einer Klasse von 22 Schülern. Dazu muss man wissen, dass die Grundschule in Argentinien bis zur 6. Klasse geht. ⇒ ich bin Grundschullehrerin für Deutsch als Fremdsprache
In der 6. Klasse unterrichte ich mit meiner Kollegin Maria deutschsprachigen Fachunterricht (DFU) – in unserem Fall heißt das Thema Wasserwelten und der Unterricht findet auf Deutsch statt. Wir führen die Kinder durch Experimentieren mit Wasser in naturwissenschaftliches Arbeiten ein. Maria ist Biologielehrerin und sorgt somit dafür, dass der fachliche Input korrekt ist. Ich kümmere mich darum, dass wichtige Vokabeln vorentlastet werden, dass die Schüler ihren Wortschatz erweitern und dass wir sie durch Hilfestellungen, z.B. Plakate mit Satzanfängen, sprachlich unterstützen, sodass sie sich zu dem jeweiligen Thema auf Deutsch äußern können. ⇒ ich bin Grundschullehrerin für Biologie
In der 11. Klasse unterstütze ich eine argentinische Deutschlehrerin bei ihrem Unterricht (10 Schüler) und in der 12. Klasse arbeite ich zusammen mit einer anderen argentinischen Deutschlehrerin bei der Vorbereitung der Schüler auf die Abiturprüfung in Deutsch und das Deutsche Sprachdiplom. (8 Schüler) ⇒ ich bin Gymnasiallehrerin für Deutsch als Fremdsprache
Eine weitere Aufgabe hat sich sehr spontan ergeben: Im Kindergarten, arbeite ich mit einer argentinischen Kollegin in der Fachleitung DaF. Es handelt sich dabei eher um administrative Aufgaben, Hospitationen, usw. Ich weiß nicht genau, wie ich zu diesem Job gekommen bin, aber die Arbeit macht mir sehr viel Spaß. ⇒ ich bin Fachleitung Deutsch als Fremdsprache im Kindergarten
Also kurz zusammengefasst arbeite ich als ausgebildete Gymnasiallehrerin für Englisch, Sport und Französisch jetzt im Kindergarten, in der Grundschule und am Gymnasium und unterrichte hauptsächlich Deutsch als Fremdsprache. Was das Leben doch für Veränderungen für uns bereithält!
So, jetzt habe ich euch im übertragenen Sinne ein Ohr abgekaut!
Passt auf euch auf und versucht euch so gut es geht in dieser Zeit einzuschränken. Selbstverständlich bedeutet das eine Minderung der Bewegungsfreiheit und es fällt euch bestimmt schwer, euch dahingehend zurückzunehmen. Außerdem habt ihr sicher Recht, wenn ihr sagt, dass es sich in Deutschland eben nicht um eine komplette Ausgangssperre handelt, doch jeder von euch ist ein mündiger Mensch, der die Situation informiert und kritisch einschätzen kann – ihr braucht niemanden aus der Politik, der euch jetzt dazu verdonnert zuhause zu bleiben, ihr wisst selbst, was sinnvoll ist. Derzeit seid ihr in der glücklichen Lage, euch außerhalb eurer vier Wände bewegen zu können. Auch wenn ich immer noch davon überzeugt bin, dass diese drastischen und baldigen Maßnahmen für Argentinien notwendig waren, kann ich euch sagen, dass es nervt einen derart kleinen Bewegungsradius zu haben, es nervt niemanden von Angesicht zu Angesicht sehen zu können, es nervt sich mit Mundschutz auf der Straße zu bewegen. Seid so clever und schränkt euch lieber jetzt ein wenig mehr ein, bevor es euch so geht wie mir und ihr von der Politik eingeschränkt werdet. Wer nicht will, der wird gewollt! :DLasst es nicht so weit kommen.
Haltet die Ohren steif und handelt mit Hirn, denn das Gehirn ist keine Seife – es wird nicht weniger, wenn man es benutzt.
Das war das Wort zum Karfreitag! Ich wünsche euch allen eine frohe und besondere Osterzeit! Felices pascuas!
Besitos! :*